Jade Welt: Herr Gündling, Sie haben zum ersten Mal das Wahlpflichtfach „Design Thinking“ im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen angeboten. Was genau muss man sich darunter vorstellen? Was ist das Besondere daran?
Gündling: „Design Thinking“ ist eine an der Stanford Universität entwickelte Kreativitätsmethode. Obwohl diese Methode erst wenige Jahre in Deutschland bekannt ist, arbeiten heute schon zahlreiche Großunternehmen wie Bosch, SAP und Volkswagen damit, um neue Produkte und Prozesse entwickeln zu können. Design Thinking zählt zu den sogenannten agilen Methoden der Unternehmensführung und Arbeitsorganisation. Kernelemente sind ein interaktiver Prozess, multidiziplinäre Teams und variable Räume bzw. Arbeitsumgebungen. Wir arbeiten stehend, liegend, im Schneidersitz, meistens ohne Bestuhlung, aber ggf. mit Sofas, mit Whiteboards und Post-Its, aber ohne Beamer - auf jeden Fall entspannend für die Teilnehmer und aktivierend! Der interaktive Prozess hilft den Teilnehmern, immer alles aus der Sicht des Kunden bzw. des Anwenders zu betrachten.
Jade Welt: Wie genau haben Sie das „Design Thinking“ mit Ihren Studierenden durchgeführt?
Gündling: Die Studierenden haben zunächst ganz praktische Werkzeuge kennengelernt, zum Beispiel zu moderieren, Fragen zu stellen um den Kunden richtig zu verstehen oder Strategien außerhalb bestehender Wettbewerbsarenen zu entwickeln („Blue Ocean“). An zwei Tagen haben wir dann im Rahmen einer Challenge den interaktiven Prozess erlebt. Die Studierenden hatten die Aufgabe „Gestalten Sie das 1. Hilfe Erlebnis für Nicht-Profis neu“. Jeder Studierende hat eine Phase moderiert, anschließend wurden Interviews mit möglichen „Betroffenen“/ „Kunden“ durchgeführt. Daran schloss sich die kreative Phase an, in der Ideen und Prototypen entwickelt wurden, die dann mit realen Testpersonen getestet wurden. Das waren bei uns übrigens Mitarbeiter des Fachbereichs.
Eine Gruppe hat eine Erste-Hilfe-Woche für Grundschüler entwickelt. Hier hat sich im Test gezeigt, dass diese Lösung nicht realisierbar ist. Die zweite Gruppe hat, ebenfalls für Schüler, eine App ähnlich Pokémon Go entwickelt, mit der die Kinder spielend Erste Hilfe lernen können. Ein wichtiger Faktor dabei war ein ausgeklügeltes Belohnungssystem. Hier hat sich im Test gezeigt, dass die Lösung weiterverfolgt werden sollte, allerdings für Jugendliche. Das ist eines der wichtigen Elemente des „Design Thinking“: Viel schneller als bei traditionellen Innovationsmethoden werden Prototypen gebaut und getestet.
Jade Welt: Was sind Ihre Erfahrungen? Und was sagen die Studierenden dazu?
Gündling: Nach der Challenge wurde eine anonyme Evaluation durchgeführt. Auf die Frage was den Studierenden am Kurs gefallen hat, wurden unter anderem folgende Antworten genannt: Die angenehme Arbeitsatmosphäre, der lockere Umgang, die freie Entfaltung, Arbeiten in Gruppen, Methoden und Instrumente, die Vielfältigkeit, das kreative Denken und die offene Kommunikation. Besser können die Kernelemente des Design Thinking und deren Wirkungen kaum beschrieben werden.