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Hirn vom Hahn in Oldenburger Kneipen

„Ist Bier gesünder als eine Tomate?“

„Wissen frisch gezapft“ wurde am vergangenen Donnerstag in sechs Oldenburger Kneipen serviert. Zwölf Wissenschaftler_innen aus der Oldenburger Forschungslandschaft verließen hierfür ihre Computer und Labore und schwärmten aus, um über ihre Projekte zu plaudern. Nach zweijähriger Pause bot die diesjährige Ausgabe von „Hirn vom Hahn“ wieder Einblicke in aktuelle Forschung in ungezwungener Atmosphäre.

„Unsere Mission ist es, Wissenschaft unters Volk zu bringen“,

sagt Christina Schumacher, Wissens- und Technologietransfer der Jade Hochschule und Mitorganisatorin der Veranstaltung. „Dafür gehen wir dahin, wo die Leute sind – und wo auch wir gerne mal wieder einen Abend verbringen.“ 

Prof. Dr. Stefan Dietsche und elf andere Forschende zeigten in den Oldenburger Kneipen, dass Wissenschaft alles andere als staubtrocken sein kann. (Fotos: Andreas Rothaus/Jade HS)
Prof. Dr. Stefan Dietsche und elf andere Forschende zeigten in den Oldenburger Kneipen, dass Wissenschaft alles andere als staubtrocken sein kann. (Fotos: Andreas Rothaus/Jade HS)

Die Themen in den Oldenburger Kneipen waren breit gefächert: Von einer Reise durch unser Gehirn ging es über die Frage, wohin mit dem Wasser in Städten hin zu Robotern in der Pflege und zur Bildung hinter Gittern. In 20 Minuten brachten die Forschenden den Gästen aktuelle wissenschaftliche Zusammenhänge näher, erzählten Kurioses aus dem Arbeitsalltag und berichteten von der Faszination, mehr über unsere Welt herauszufinden. Von der Jade Hochschule waren Prof. Dr. Stefan Dietsche, Mike Böge und Gaby Schmidt am Tresen.

Darüber ob Bier gesünder sei als eine Tomate sprach Prof. Dr. Stefan Dietsche aus der Abteilung Technik und Gesundheit mit seinen Gästen im Marvins. (Fotos: Andreas Rothaus/Jade HS)
Darüber ob Bier gesünder sei als eine Tomate sprach Prof. Dr. Stefan Dietsche aus der Abteilung Technik und Gesundheit mit seinen Gästen im Marvins. (Fotos: Andreas Rothaus/Jade HS)

Die überschätze Gesundheit

„Ist Bier gesünder als eine Tomate?“, startete Prof. Dr. Stefan Dietsche aus der Abteilung Technik und Gesundheit für Menschen der Jade Hochschule seine Session im Marvins. „Das hängt dann wohl davon ab…“, würden Wissenschaftler_innen sagen. Für den Körper wahrscheinlich die Tomate, für die soziale und psychische Gesundheit vielleicht das Getränk – zum Beispiel gemütlich wie heute beisammen in der Kneipe. Oder hätte sich jemand schonmal auf eine Tomatenprobe mit Freunden gefreut? Was genau „gesund“ sei, sei demnach in vieler Hinsicht nicht klar. Ist gesund gleichbedeutend mit „nicht krank“ oder mit „Wohlbefinden“? Da Gesundheit gleichermaßen unbekannt und dennoch für alle wichtig sei, werde sie zur Projektionsfläche für alle, die Produkte, Dienstleistungen und Ideen verkaufen möchten – sei es beispielsweise der Staat, die Pharmaindustrie oder die Esoterik-Branche. So würden im Jahr mehrere Milliarden Euro allein für Nahrungsergänzungsmittel ausgegeben, die fast alle überflüssig seien. Absurde Beispiele aus der Werbung (Was ist eine gesunde Rührschüssel?) gäbe es viele. Einzige Chance damit umzugehen: Mündige Menschen, die sich die Definitionsmacht zurückholen und Annahmen und Versprechen kritisch hinterfragen. Zum Beispiel: Reichen vielleicht 80 Prozent Gesundheit aus? Oder, gefragt nach konkreten Gesundheitstipps: Reicht es nicht vielleicht schon aus, sich ein bisschen mehr zu bewegen und sich ein bisschen gesünder zu ernähren?

Wohin mit dem Wasser in den Städten?

„Schon mal abgesoffen?“, fragte Mike Böge vom Institut für Rohrleitungstechnologie der Jade Hochschule. Zustimmendes Gemurmel der Gäste im Madison. Mit zeitweise überfluteten Straßen oder Kellern hat in Oldenburg schon so manche_r Erfahrungen gesammelt. So stößt der Wissenschaftler mit seiner Forderung nach mehr Wasserbewusstsein in den Städten auf offene Ohren. Durch den Klimawandel würden mittlerweile häufiger extrem große Regenmengen in sehr kurzer Zeit fallen und das Kanalnetz scheine mit derartigen Wassermassen nicht klarzukommen. Mehr als bauliche Anpassungen bräuchte es jedoch insbesondere ein Umdenken zu mehr Wasserbewusstsein in den Städten, so der Wissenschaftler. Gute Ideen hierfür hatten die Gäste – sei es die Begrünung von Dächern, Gräben oder mehr Grünstreifen neben den Straßen, sowie Regentonnen und Sickermöglichkeiten auf den Grundstücken. Auch multifunktionale Flächen in den Städten seien denkbar, zum Beispiel Spiel- oder Sportplätze, die vorübergehend als Regenrückhaltebecken genutzt werden können, ergänzt der Wissenschaftler. „Für mich war die Situation neu, ganz anders als eine Vorlesung im Hörsaal“, sagt Böge.

Mehr Wasserbewusstsein in den Städten sei notwendig - darüber sind sich Mike Böge vom Institut für Rohrleitungstechnologie und seine Gäste im Madison einig. (Foto: Katrin Keller/Jade HS)
Mehr Wasserbewusstsein in den Städten sei notwendig - darüber sind sich Mike Böge vom Institut für Rohrleitungstechnologie und seine Gäste im Madison einig. (Foto: Katrin Keller/Jade HS)

„Es war eine tolle Atmosphäre und wir hatten sehr interessante Gespräche auf Augenhöhe. So bekommen wir auch mal ein anderes Feedback, denn vielleicht sieht man das eigene Feld mitunter etwas eng.“

Mike Böge vom Institut für Rohrleitungstechnologie

Die Bedingungen für den Start ins Leben würden unser eigenes Leben und das der kommenden Generationen prägen, so Gaby Schmidt aus der Abteilung Technik und Gesundheit für Menschen in der Garda Gourmet Weinbar. (Foto: Britta Müller/OFFIS)
Die Bedingungen für den Start ins Leben würden unser eigenes Leben und das der kommenden Generationen prägen, so Gaby Schmidt aus der Abteilung Technik und Gesundheit für Menschen in der Garda Gourmet Weinbar. (Foto: Britta Müller/OFFIS)

Geburt-stag haben wir alle

Gaby Schmidt aus der Abteilung Technik und Gesundheit für Menschen der Jade Hochschule sprach in der Garda Gourmet Weinbar über unseren Start ins Leben. Die meisten von uns wurden im Krankenhaus geboren. Dabei seien Schwangerschaft und Geburt keine „Krankheit“. Dass etwas schief gehen könne, bestimme zu sehr unsere Geburtskultur und setze viele werdende Eltern unter Druck. „Dabei ist es wichtig, das gesundheitsfördernde Potential dieser Lebensphase im Blick zu behalten und zu nutzen.“ Deshalb sei es zentral, die Schwangeren zu begleiten und ihnen eine Stimme zu geben. Die Bedingungen für unseren Start ins Leben würden unser eigenes Leben prägen, so die Wissenschaftlerin, aber auch das der kommenden Generationen. „Ein Grund, der Art, wie wir geboren werden, einen größeren gesellschaftlichen Stellenwert einzuräumen.“ Ein möglichst entspannter Start ins Leben wirke sich beispielsweise positiv auf die Wahrnehmung von Gesundheit und Krankheit, aber auch auf die frühe Familienbildungsphase aus. Auch welche Rolle Hebammen bei der Geburt spielen und was der Betreuungsbogen damit zu tun hat, war gestern Thema in der Weinbar.

„Hirn vom Hahn“

„Hirn vom Hahn“ ist eine Initiative des Oldenburger Netzwerks für Wissenschaftskommunikation (OLWIK). Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss verschiedener Institutionen aus Wissenschaft und Forschung in Oldenburg. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, die wissenschaftliche Arbeit, die oft hinter verschlossenen Labor- und Bürotüren stattfindet, für jeden zugänglich zu machen, beispielsweise über Veranstaltungen oder den regelmäßig erscheinenden Podcast „Hirngehört“ mit Oldenburger Wissenschaftler_innen.

Ansprechpartnerin in der Redaktion:

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de