Rest in Pixels - Einfluss digitaler Medien auf Trauer und Erinnerung
Am gestrigen Donnerstag begrüßte Prof. Dr. Michael Klafft die Anwesenden zum dritten und letzten Vortrag des Instituts für Medienwirtschaft und Journalismus und stellte die Referentin Dr. Anne Offerhaus vor. Sie ist Universitätslektorin am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZEMKI) der Universität Bremen. Dort forscht sie schon seit mehreren Jahren an den Facetten digitaler Trauer- und Erinnerungskultur.
Als Einstieg in die Thematik nutzte Offerhaus eine Forschungsreihe mit Studierenden zum Thema „Medien und Religion“. Einige beschäftigten sich beispielsweise mit der Mediatisierung von Weihnachten oder wie mit Skandalen der Kirche in der Presse umgegangen wird. Anlass für Offerhaus, eine langfristige Forschung zu starten, war jedoch eine Gruppe von Studierenden, die sich mit „virtuellen Friedhöfen“ auseinandersetzte. Die Thematik Trauer- und Erinnerungskultur im Internet sei zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Medienforschung nicht sehr vertreten gewesen, erklärte die Lektorin.
Vom biblischen Kunstwerk bis zu Online-Trauer-Portalen
„Medien dienen und dienten schon immer der Erinnerung an Verstorbene und sind somit essentiell für den Ausdruck von Trauer“, sagte Offerhaus und eröffnete ihren Vortrag mit Trauer und Erinnerung in älteren Medien, als an eine Digitalisierung noch nicht zu denken war. Mitthilfe eines Kunstwerks von den trauernden Jüngern Jesu, einer Leichenfotografie aus dem späten 19. Jahrhundert und einem Bild von ihr und ihrem Großvater verdeutlichte sie, dass schon immer ein Medium gesucht wurde, um Trauer auszudrücken oder sich zu erinnern.
Mit „virtuellen Friedhöfen“ ermöglichen digitale Medien Trauer auch an anderen Orten zu erleben. Für Verstorbene werden Gedenkseiten gestaltet und Trauernde haben hier die Möglichkeit, sich über Foren und Portale auszutauschen.
Um herauszufinden, warum Nutzer_innen sich dort anmelden und keinen realen Friedhof besuchen, beschäftigte sich Offerhaus mit einer qualitativen Inhaltsanalyse und interviewte einzelne Nutzer_innen virtueller Friedhöfe, Trauerforen und -portalen. „Oftmals handelt es sich um Leute, die sich durch einen zum Teil lang andauernden Trauerprozess in ihrem sozialen Umfeld nicht mehr aufgehoben fühlen. Die Mitglieder bilden eine Art Schicksalsgemeinschaft mit hohem wechselseitigen Verständnis und einer unterstützenden Kommunikation“, weiß Offerhaus. Weitere Motive für die Nutzung „virtueller Friedhöfe“ seien das Internet als Rückzugsort und den „virtuellen Grabstein“ selbst zu gestalten und ihn zu jeder Zeit an jedem Ort besuchen zu können.
Trauer und Erinnerung in Zeitungen
Teil der Forschung Offerhauses beschäftigte sich mit dem Thema Journalismus und der Frage, wie Zeitungen mit der Trauer- und Erinnerungskultur umgehen. Die Bremerin untersuchte Trauerportale zahlreicher Tageszeitungen und entdeckte immer wieder ähnliche Strukturen. Ihre Nachforschungen ergaben, dass rund 80 Prozent aller Trauerportale von Zeitungen vom gleichen Anbieter „VRS Media“ gestaltet und gepflegt werden. Anhand einer Bilderreihe veranschaulichte Offerhaus abschließend die Formen öffentlicher, medialer Anteilname an tragischen Ereignissen, wie beispielsweise am Tod von Lady Diana.
„Ein emotionales und privates Thema gerät mehr und mehr in die Öffentlichkeit. Es handelt sich um eine Entgrenzung von Privatheit und Öffentlichkeit“, subsumierte Offerhaus. In der abschließenden Diskussion zwischen den Zuhörer_innen und der Referentin wurden sowohl die Rolle der Kirche als auch die der sozialen Medien beleuchtet. Hier wurde deutlich: Die Art und Weise, wie Menschen trauern, ändert sich nicht – ob traditionell oder online.