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Deutsche Wirtschaft stagniert

Konjunkturprognose von Prof. Dr. Bernhard Köster für 2024

Insbesondere in der Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher. (Foto: pexels)
Insbesondere in der Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher. (Foto: pexels)

Deutschland hat die zehn "goldenen" Jahre zwischen Finanzkrise und Corona leider nur bedingt genutzt, sagt Dr. Bernhard Köster, Professor für Volkswirtschaftslehre und quantitative Methoden an der Jade Hochschule und Teil des Prognoseteams des Handelsblatt-Research Instituts (HRI). Für die deutsche Wirtschaft sei im neuen Jahr kaum Wirtschaftswachstum zu erwarten. Die Redaktion der Jade Welt (JW) fragt nach…

JW: Herr Köster, laut HRI-Konjunkturprognose ist auch im neuen Jahr kaum Wirtschaftswachstum zu erwarten - von Stagnation und gar „Nullwachstum als neue Normalität“ ist die Rede. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe dafür?

Köster: Mittel- bis langfristig wird das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmt. In diesem Zusammenhang muss man bzgl. Infrastruktur, Bildungssituation und internationaler Wettbewerbsfähigkeit leider konstatieren, dass Deutschland die zehn "goldenen" Jahre zwischen Finanzkrise und Corona mit dauerhaften hohen Haushaltsüberschüssen nur bedingt für die notwendigen Zukunftsinvestitionen genutzt hat. Insbesondere in der Digitalisierung hinken wir mittlerweile gegenüber vielen Wettbewerbern hinterher. Zudem wirkt der Renteneintritt der Babyboomer zumindest für das nächste Jahrzehnt wachstumsdämpfend, da diese Generation mit mehr als einer Million Personen pro Jahrgang nicht nur die höchsten Besetzungszahlen in der Bevölkerung hat, sondern gleichzeitig auch relativ die wenigsten Kinder bekommen hat.

JW: Wird die Inflationsrate weiterhin sinken?

Köster: Die Preissteigerung wird sich tatsächlich in den nächsten beiden Jahren vornehmlich aufgrund von Basiseffekten insbesondere bei Energie wieder Richtung zwei bis drei Prozent bewegen. Allerdings haben wir mittlerweile in der Breite der Güter des repräsentativen Warenkorbs höhere Teuerungsraten als in der längeren Vergangenheit, so dass wir uns aller Voraussicht nach mittelfristig an höhere Inflationsraten als zwei Prozent, der Zielmarkte der EZB, gewöhnen müssen.

JW: Wie wird sich der Arbeitsmarkt 2024 entwickeln?

Köster: Der Arbeitsmarkt hat sich in der Vergangenheit relativ von der konjunkturellen Entwicklung entkoppelt und kannte viele Jahre, die Coronajahre mit ihren massiven staatlichen Eingriffen einmal ausgenommen, nur eine Richtung hin zu sinkenden Arbeitslosenquoten. Aktuell zeigt sich aber eine erste Trendumkehr. Denn trotz vieler offener Stellen hat die Arbeitslosenzahl wieder angefangen leicht zu steigen. Dies zeigt, dass im Hinblick auf den sogenannten Fachkräftemangel die Qualifikationen der Arbeitssuchenden mitunter nicht mehr zu den Anforderungen passen. Insbesondere sind dabei quantitative Fähigkeiten, die im Zuge der Digitalisierung benötigt werden, zu nennen.

JW: Haushaltskrise, hohe Energiekosten, Fachkräftemangel – deutsche Unternehmen sind verunsichert und stehen vor vielen Herausforderungen. Wie geht es für deutsche Betriebe weiter?

Köster: Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Trend am Arbeitsmarkt bedeutet das für die Betriebe im einzelnen, dass sich die Suche nach qualifiziertem Personal immer schwieriger darstellt. Zum einen wird daher versucht, das vorhandene Personal verstärkt zu halten, zum anderen Personal aus dem Ausland anzuwerben. Da man im internationalen Wettbewerb steht, kann dies aber das grundsätzliche Problem nicht lösen. Zudem darf es nicht überraschen, wenn es aufgrund der relativ hohen Energiekosten in Deutschland in Teilen der energieintensiven Industrie zu Abwanderungen kommen wird.

JW: Kann Deutschland zur alten Wachstumsstärke zurückfinden oder ist die Prognose für 2024 wirklich die neue Normalität?

Köster: Aktuell ist leider nicht von einer baldigen Trendumkehr auszugehen, solange nicht die anfangs angesprochen Probleme bei den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen angegangen werden. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt dabei, dass dafür die aktuelle Staatsquote von etwa 50% in Deutschland und eine Situation bei der etwa ein Viertel der Staatsschuld der Eurozone von der Europäischen Zentralbank selbst gehalten wird, nicht unbedingt wachstumsförderlich ist.

Mehr zu der Konjunkturprognose von Prof. Dr. Bernhard Köster, Dennis Huchzermeier und Axel Schrinner Prognose ist im Handelsblatt (Mittwoch, 3. Januar 2024) zu lesen.

Prof. Dr. Bernhard Köster (Foto: Gaby Pfeiffer/Jade HS)
Prof. Dr. Bernhard Köster (Foto: Gaby Pfeiffer/Jade HS)

Werdegang

Dr. Bernhard Köster studierte Physik und Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Anschließend promovierte er dort zum Thema „Decision Rules, Transparency and Central Banks“ und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg und im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dann wechselte der gebürtige Tübinger in die freie Wirtschaft zu AWD Economic and Provision Research und der MaschmeyerRürup AG und war anschließend als Dozent bei der Sparkassenakademie Hessen-Thüringen tätig.

2015 übernahm Köster eine Professur für allgemeine VWL an der EBC-Hochschule in Düsseldorf und arbeitete parallel als Economist am Handelsblatt Research Institute. 2017 wechselte der 47-Jährige als Professor für VWL und quantitative Methoden an die Frankfurt University of Applied Sciences und nahm zum Sommersemester 2019 einen Ruf für VWL und quantitative Methoden an die Jade Hochschule in Wilhelmshaven an.

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