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„Eine funktionierende Gesundheitsversorgung ist unabdingbar“

Forschungen zur räumlichen Erreichbarkeitsmodellierung für die hausärztliche Versorgung in Niedersachsen

Hausärztliche Versorgung (Foto: Symbolbild/senivpetro auf Freepik)
Hausärztliche Versorgung (Foto: Symbolbild/senivpetro auf Freepik)

Jonas Schoo hat an der Jade Hochschule Wirtschaftsingenieurwesen Geoinformation und Geoinformationswissenschaften studiert und ist seit Juli 2022 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Bauwesen Geoinformation und Gesundheitstechnologie tätig.

Schoo ist im Rahmen des Verbundprojekts „4N – Nordwest Niedersachsen Nachhaltig Neu“ angestellt und forscht im Zuge seiner Promotion zur räumlichen Erreichbarkeitsmodellierung für die hausärztliche Versorgung in Niedersachsen. Die Jade Welt (JW) fragt nach...

Jonas Schoo (Foto: privat)
Jonas Schoo (Foto: privat)

JW: Herr Schoo, Sie beschäftigen sich aktuell mit der Gesundheitsversorgung in unserer Region. Was verbirgt sich hinter Ihrem Forschungsvorhaben?

Schoo: Die Herstellung und Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen Deutschlands ist eine wichtige Leitvorstellung von Bund und Ländern. Dies zielt unter anderem auf den Bereich der Daseinsvorsorge ab, also Leistungen, welche eine Teilhabe aller Individuen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben ermöglichen soll – sowohl in städtischen, als auch in ländlichen Räumen. Um diese Teilhabe zu ermöglichen, ist eine funktionierende Gesundheitsversorgung unabdingbar. Mit Methoden der Geoinformation können in diesem Gebiet durch eine Analyse der Zugänglichkeit von Gesundheitseinrichtungen Aussagen darüber getroffen werden, ob die Gesundheitsversorgung räumlich als gesichert angesehen werden kann und inwiefern räumliche Disparitäten bestehen.

JW: Sie haben Ihren Fokus auf die hausärztliche Versorgung in Niedersachsen gelegt. Warum gerade die Spezialisierung auf Hausärzte und Niedersachen?

Schoo: Das Forschungsvorhaben findet im Rahmen des Forschungsprojektes „4N – Nordwest Niedersachsen Nachhaltig Neu“ statt, in welchem Transformationsprozesse in (Nordwest) Niedersachsen untersucht werden sollen, um Antworten auf Fragen zu sich verändernden Daseinsbedingungen zu finden. Als Untersuchungsgebiet wurde in meinem Forschungsvorhaben dabei das Bundesland Niedersachsen ausgewählt, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse aus Nordwest-Niedersachsen mit dem Rest des Bundeslandes zu ermöglichen.

Die Hausärztliche Versorgung nimmt in der Gesundheitsversorgung eine besondere, vorangestellte Rolle ein: sie stellt den Eintrittspunkt von Individuen in das Gesundheitssystem dar. Die Hausärztlichen Versorgung ist dabei also wesentlich für ein funktionierendes Gesundheitssystem und somit Forschungsgegenstand meiner Ausarbeitungen.

JW: Wie schätzen Sie die hausärztliche Versorgung in Niedersachsen aktuell ein?

Schoo: Um Aussagen über die Bewertung der hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen treffen zu können, ist es wichtig, zu erwähnen, dass es sich um ein quantitatives Model handelt, welches nur ein Abbild der realen Situation beschreiben kann. Dabei bleiben etwa subjektive Entscheidungen („ich gehe lieber zu einem Hausarzt am anderen Ende der Stadt, weil ich früher in der Nähe gewohnt habe“) unberücksichtigt.

Ein Blick auf die Ergebnisse lässt auf zwei Dinge schlussfolgern:

1. Die hausärztliche Versorgung weist starke räumliche Disparitäten auf, wie untenstehende Abbildung zeigt.
 
Einer Vielzahl an versorgten Einwohner_innenstandorten stehen ebenso eine Vielzahl an unterversorgten Einwohner_innenstandorten gegenüber. Beispielhaft für das gesamte Untersuchungsgebiet sind Ostfriesland, das Emsland und die Grafschaft Bentheim zu nennen, in welchen eine Versorgung in direkter Nachbarschaft zu einer Unterversorgung stehen.

Auffällig ist zudem, dass städtische Gebiete, beispielsweise Aurich, eine sehr gute Zugänglichkeit zur hausärztlichen Versorgung aufweisen – hier kann zumeist von Versorgung gesprochen werden.

2. Bei Betrachtung des Gesamtergebnisses, also dem Anteil an Einwohnern in den Versorgungsklassen Versorgung und Unterversorgung, ist festzustellen, dass etwa die Hälfte (49,9%) der Einwohner_innen Niedersachsens ausreichend hausärztlichen Zugang besitzt, wie untenstehendes Diagramm darlegt.

Demgegenüber stehen auf der anderen Seite ebenfalls etwa die Hälfte der Einwohner_innen, welche, nach den Annahmen des Models, keinen vollwertigen Zugang zu hausärztlicher Versorgung aufweisen. Gründe hierfür sind entweder eine schlechte räumliche Erreichbarkeit der hausärztlichen Einrichtungen oder mangelnde Kapazitäten dieser.

Unter Berücksichtigung des Modelcharakters dieser Ausarbeitung könnte geschlussfolgert werden, dass die hausärztliche Versorgung in Niedersachsen aktuell durchaus Verbesserungspotenzial aufweist. Inwiefern sich die Ergebnisse für bestimmte Raumtypologien unterscheiden ist ein spannender Ansatz, um zukünftig spezifischere Aussagen über die hausärztliche Versorgungssituation treffen zu können.

JW: Wie weit sind Sie in Ihrem Forschungsprozess und wann können Sie erste Ergebnisse veröffentlichen?

Schoo: Im Rahmen meiner Promotion stellt diese Ausarbeitung der IST-Situation der hausärztlichen Versorgung in Niedersachsen den ersten Schritt dar und soll zeitnah mit spezifischeren Daten und Ergebnissen veröffentlicht werden. In weiteren Veröffentlichungen sollen darüber hinaus historische Ärztedaten raum-zeitlich analysiert werden, um Transformationsprozesse der letzten 30 Jahre aufzuzeigen und durch Veränderungen in übergeordneten Regelwerken (bspw. die Bedarfsplanungsrichtlinie) und persönlichen Standortentscheidungen von ÄrztInnen begründet werden. Mithilfe dieser gewonnenen Informationen sollen zukünftige Trends vorhergesagt und den Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt werden. So wollen wir im 4N-Projekt und an der Jade Hochschule einen Teil zur Herstellung und Wahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse beitragen.

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