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Klimaanpassung: „Der Schutz vor Starkregen ist eine kommunale Gemeinschaftsaufgabe!“

Foto: Jade Hochschule
Foto: Jade Hochschule

Klimaanpassung: „Der Schutz vor Starkregen ist eine kommunale Gemeinschafts- aufgabe!“

Infolge von Extremereignissen wie Starkregen und Überschwemmungen beginnt vielerorts ein Umdenken in Bezug auf den Städtebau. Vor allem Küstenstädte werden gegenüber dem Klimawandel verwundbarer. Wie aber kann es gelingen, die Kommunen aktiv gegen die häufiger werdenden Extremereignisse zu schützen?

Hydrologe Helge Bormann von der Jade Hochschule engagiert sich seit mehreren Jahren in seiner Forschung für den Küstenschutz und hat gemeinsam mit dem Team des Projektes CATCH ein Tool für Klimaanpassung entwickelt. Das Forschungsteam hat zunächst in mehreren Ländern des Nordseeraums Maßnahmen erprobt, die die Wasserresilienz der Kommunen erhöhen sollten. Die erfolgreichen Maßnahmen sind in das CATCH Klimaanpassungs-Tool geflossen und können künftig als Vorbilder für vergleichbare Gemeinden dienen. Wir haben bei Helge Bormann nachgefragt, wie das Tool funktioniert.

Herr Bormann, wie können Kommunen ihre Wasserresilienz mithilfe des CATCH Klimaanpassungs-Tools erhöhen?

Zielgruppe von CATCH sind die Akteure kleiner und mittlerer Städte und Kommunen, also zum Beispiel Planende und Ingenieur_innen, aber auch Entscheidungsträger.

Das Tool setzt sich aus zwei wesentlichen Teilen zusammen. Die Selbsteinschätzung spiegelt zunächst den aktuellen Stand einer Kommune bei der Klimaanpassung wider. Dabei werden Stärken und Schwächen im Hinblick auf eine wassersensible Stadtentwicklung identifiziert. Das können zum Beispiel fehlende Versickerungsflächen, Stadtgrün oder auch eine mangelnde Kommunikation zu diesen Themen sein.

Der Klimaanpassungs-Kreislauf soll die Kommune anschließend dabei unterstützen, diese Schwächen gemeinschaftlich anzugehen. Wir versuchen vor allem, die richtigen Fragen zu stellen und einen Diskussionsprozess anzustoßen.

Sie sind zurzeit gemeinsam mit dem OOWV in der „Wassersensiblen Stadtentwicklung Oldenburg“ aktiv. Worauf arbeiten Sie gemeinsam hin?

Die Initiative zur wassersensiblen Stadtentwicklung ist auf die Aktivitäten des OOWV [Oldenburg-Ostfriesischer Wasserverband] zurückzuführen. Der OOWV ist DER Player im Wasserbereich in der Region und hat im Rahmen von Werkstattgesprächen begonnen, die wichtigsten Beteiligten an einen Tisch zu holen. Im Rahmen von CATCH hat sich nun die Gelegenheit geboten, dass die Jade Hochschule diesen Prozess begleitet und ihre Expertise zu diesem Thema einbringt.

Das gemeinsame Ziel ist, integrative Lösungen für mehr Wasserbewusstsein in Oldenburg auf den Weg zu bringen und das Thema auch strategisch zu verankern. Und natürlich wäre es auch schön, an der einen oder anderen Stelle gemeinsam an geeigneten Pilotprojekten zur Klimaanpssung zu arbeiten.

Zurzeit sind Sie außerdem auf „Roadshow“: Wo überall stellen Sie das Tool vor und wie ist die Resonanz?

Wir haben das CATCH Tool im Rahmen des Interreg-Projekts für die Nordseeregion entwickelt, aber natürlich soll es auch darüber hinaus anwendbar und hilfreich sein. Insofern informieren wir Kommunen in der Region, nutzen aber auch überregionale Netzwerke, um auf unsere Aktivitäten aufmerksam zu machen.

Gemeinsam mit dem OOWV sind wir auf einer Rundreise durch das OOWV-Verbandsgebiet und informieren die Gemeinden und Zweckverbände.

Wir haben das Tool aber auch schon in der Arbeitsgruppe der DWA [Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.] „Wasserbewusste Stadtentwicklung“ vorgestellt und sind dort auf ein großes Interesse gestoßen. Nicht zuletzt durften wir auf Einladung des Bundesbauministeriums unsere CATCH-Ergebnisse auf der nationalen Konferenz zur Eröffnung der neuen Interreg-Förderperiode in Berlin vorstellen.

Auf all diesen Ebenen ist offensichtlich der Bedarf groß, Klimaanpassung mitzudenken und voranzubringen.

Der OOWV hat Starkregengefahrenkarten als Grundlage für die wassersensible Stadtentwicklung und die Anpassung von Kommunen erstellt. Inwiefern greifen das CATCH Klimaanpassungs-Tool und die Gefahrenkarten des OOWV ineinander?

Eine wichtige Voraussetzung für die Bereitschaft, sich anzupassen, ist die Darstellung bestehender und gegebenenfalls noch zunehmender Gefahren oder Risiken. Der OOWV hat hier einen wichtigen Schritt gemacht. Die Veröffentlichung der Starkregengefahrenkarte für Oldenburg hat vielen Beteiligten vor Augen geführt, dass mit technischen Maßnahmen alleine nicht alle Probleme gelöst werden können. Notwendig ist, möglichst viele Beteiligte in den Anpassungsprozess einzubeziehen. Auch Grundstückseigentümer müssen Vorsorge betreiben und können sich nicht nur auf die Stadt oder den OOWV verlassen.

Was wird in Oldenburg bereits getan oder geplant, um aus den Informationen der Starkregengefahrenkarten Konsequenzen zu ziehen?

In Oldenburg wird schon einiges getan, um den Folgen von Starkregen vorzubeugen. Die smarte Verkehrslenkung für die Alexanderstraße ist eine konkrete Maßnahme, die aus CATCH heraus umgesetzt wurde. Es wurden aber auch schon unterirdische Speicherräume in Form von Rigolen [Speicher für Regenwasser] installiert, und in Ofenerdiek versucht der OOWV aktuell, durch eine verbesserte Bewirtschaftung des Grabensystems den Gefahren durch Starkregen entgegenzuwirken. In Neubaugebieten werden Regenrückhaltebecken und vereinzelt sogar schon multifunktionale Flächen geplant, die bei Starkregenereignissen Wasser aufnehmen können.

Die Stadt Oldenburg fördert darüber hinaus Maßnahmen zur Entsiegelung, um die Versickerung zu verbessern, genauso wie das Anlegen von Gründächern.
Nur in der Summe können derartige Maßnahmen Erfolg haben.

Wo noch werden Maßnahmen mithilfe des Tools entwickelt und geplant?

Konkrete Maßnahmen werden mit dem Tool noch nicht geplant. Wir befinden uns noch in der Phase, das Tool bekannt zu machen und das Thema Klimaanpassung auf die Tagesordnung zu bringen.

Umso wichtiger ist es, sich mit interessierten Kommunen zu vernetzen und Kontakt mit Landeseinrichtungen aufzunehmen. Im November haben wir das CATCH Tool zum Beispiel im kommunalen Netzwerk des NIKO vorgestellt, des Niedersächsischen Kompetenzzentrums Klimawandel, das im letztem Jahr vom Niedersächsischen Umweltministerium ins Leben gerufen wurde.

Was wäre der größte Erfolg für Ihr Projekt? Was wünschen Sie sich, wie es weitergeht?

Ein großes Potenzial für eine praktische Anwendung bieten vor allem die Praxispartner, die sich aktiv in CATCH beteiligt haben. Sie haben das Tool durch ihre Anregungen und Ideen mitentwickelt. Wenn diese Partner das Tool in ihren Planungsprozessen anwenden, haben wir schon ein ganz wesentliches Ziel erreicht.

Der größte Erfolg wäre, wenn wir die Herausforderung der Klimawandelanpassung nachhaltig auf die Tagesordnung der regionalen Akteure bringen. Eine Verlangsamung des Klimawandels und der Umgang mit den unvermeidbaren Folgen des Klimawandels stellen eine enorme Herausforderung für die Zukunft dar, werden aber allzu oft von der Tagespolitik verdrängt.

Wenn wir ein bisschen dazu beitragen können, das Thema auf der regionalen Agenda zu behalten, haben wir sehr viel erreicht. 

Über Dr. Helge Bormann

Helge Bormann ist Diplom-Geoökologe und Hydrologe und seit 2014 an der Jade Hochschule tätig. Hier leitet er das Forschungsmanagement und ist Promotionsbeauftragter.

Bormanns fachliche Schwerpunkte liegen in den Bereichen Klimafolgen- und Klimaanpassungsforschung im Küstenraum, Wasserbewirtschaftung, Hydrologische Modellierung und Hochwasserrisikomanagement. Er engagiert sich als wissenschaftlicher Koordinator von Drittmittelprojekten, finanziert durch

  • EU (Interreg-Programme FRAMES: Flood Resilient Areas by Multi-layEred Safety; CATCH: water sensitive Cities: the Answer To CHallenges of extreme weather events),
  • BMBF (WAKOS: Wasser an den Küsten Ostfrieslands),
  • BMU (KLEVER-Risk: Klimaanpassung und Extremwettervorsorge – Verbandsübergreifendes Management von Binnenhochwasserrisiken im westlichen Ostfriesland) sowie
  • MWK (future proof grasslands: Stärkung der Ökosystemleistungen in den Grünlandregionen des nordwestdeutschen Küstenraumes durch Anpassung des Wassermanagements an den Klimawandel)

Ein Beitrag von:

  • Yukie Yasui
    Yukie Yasui

    yukie.yasui@jade-hs.de