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Post-Corona-Boom fällt aus: Schwieriger Weg für die Politik zurück zur Normalität

Konjunktur-Prognose von Prof. Dr. Bernhard Köster

Lieferengpässe, Coronakrise, langsames Wachstum: Die schnelle Erholung der deutschen Volkswirtschaft bleibt für das laufende Jahr noch aus, prognostiziert Dr. Bernhard Köster, Professor für Volkswirtschaftslehre und quantitative Methoden an der Jade Hochschule und Teil des Prognoseteams des Handelsblatt-Research Instituts.
Die Redaktion der Jade Welt (JW) fragt nach…

JW: Lieber Herr Köster, warum gehen Sie davon aus, dass die nächste Bundesregierung unter wesentlich schwierigeren Bedingungen ihre Arbeit aufnehmen wird als die amtierende Regierung?

Köster: Zwar dürfte die Wirtschaft dieses Jahr ähnlich stark wie 2017 wachsen, und auch die Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich lediglich um knapp 100.000 Personen höher sein, als dies zu Beginn dieser Legislatur der Fall war.

Doch anstatt wie die amtierende Regierung Überschüsse von gut 40 Milliarden Euro zur Verfügung zu haben, wird die neue das zweithöchste Haushaltsdefizit in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erleben.

JW: Welche Wege könnte die neue Koalition gehen?

Köster: Um das aktuelle Loch von rund 150 Milliarden Euro im Staatskonto mit der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse in Einklang zu bringen müsste die neue Regierung sparen, die Steuern erhöhen oder eine Reform der Schuldenbremse durchführen, die allerdings von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden müsste.

JW: Welche weiteren Kernthesen stellen Sie in Ihrer Prognose auf?

Köster: In den letzten eineinhalb Jahren ist die Konjunktur primär dem Pandemieverlauf gefolgt und nicht klassischen konjunkturellen Überlegungen. Daher revidieren aktuell viele Institute ihre Prognosen nach unten, während wir schon im Frühjahr 2021 deutlich skeptischer gewesen sind. Wir gehen von einem Anziehen der deutschen Wirtschaft erst nächstes Jahr aus. Die Argumentation dahinter ist insbesondere, dass die deutsche Wirtschaft, und hier nicht zuletzt der Aussenhandelssektor, sich in den weiteren Monaten durch Umsteuern den allgemeinen Lieferschwierigkeiten bei Vorprodukten anpassen kann. Ähnlich wie es nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise geschafft worden ist, die Schwäche der Emerging Markets durch Absätze insbesondere in die USA zu kompensieren.

Schwierig ist zudem die Frage nach einer Verstetigung des aktuell hohen Preisauftriebes zu beantworten, denn gegenwärtig ist dieser vornehmlich durch den Basiseffekt bei den Energiepreisen und die zurückgenommene Mehrwertsteuersenkung zu erklären. Daher gehen wir bisher von einem Rückgang der Inflationsrate auf zwei Prozent für Deutschland, das Ziel der Europäischen Zentralbank, aus. Trotzdem ist das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale und damit dauerhaft höheren Inflationsraten nicht zu unterschätzen.

Insgesamt wird damit die zu bildende neue Regierung, wie schon angesprochen, vor enormen Herausforderungen stehen, um die langfristigen Herausforderungen wie den Klimawandel, die Digitalisierung und die Alterung der Gesellschaft zu bewältigen.

JW: Vielen Dank für Ihre Einschätzung!

Prof. Dr. Bernhard Köster (Foto: Gaby Pfeiffer/Jade HS)
Prof. Dr. Bernhard Köster (Foto: Gaby Pfeiffer/Jade HS)

Werdegang

Dr. Bernhard Köster studierte Physik und Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Anschließend promovierte er dort zum Thema „Decision Rules, Transparency and Central Banks“ und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg und im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dann wechselte der gebürtige Tübinger in die freie Wirtschaft zu AWD Economic and Provision Research und der MaschmeyerRürup AG und war anschließend als Dozent bei der Sparkassenakademie Hessen-Thüringen tätig. 2015 übernahm Köster eine Professur für allgemeine VWL an der EBC-Hochschule in Düsseldorf und arbeitete parallel als Economist am Handelsblatt Research Institute. 2017 wechselte der 46jährige als Professor für VWL und quantitative Methoden an die Frankfurt University of Applied Sciences und nahm zum Sommersemester 2019 einen Ruf für VWL und quantitative Methoden an die Jade Hochschule in Wilhelmshaven an. Bernhard Köster ist verheiratet und hat drei Kinder.

Ansprechpartnerin in der Redaktion

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de