Wissenschaftler_innen, mischt euch ein!
Wie groß ist das Interesse an wissenschaftlichen Themen, wie stark ist das Vertrauen in die Wissenschaft und welche Forschungsbereiche sind am wichtigsten für die Zukunft? Ein Interview zu den Ergebnissen des "Wissenschaftsbarometers" mit Christina Schumacher.
In der repräsentativen Bevölkerungsumfrage „Wissenschaftsbarometer“ wird jährlich die öffentliche Meinung gegenüber Wissenschaft und Forschung erhoben. 75 Prozent der Befragten stimmen vor dem Hintergrund der Proteste gegen die aktuelle Klimapolitik zu, dass sich Wissenschaftler_innen öffentlich äußern sollen, wenn Forschungsergebnisse in der Politik nicht berücksichtigt werden. Mehr als die Hälfte findet, dass politische Entscheidungen wissensbasiert sein sollen und 50 Prozent meinen generell, dass es auch die Aufgabe von Forschenden ist, sich in die Politik einzumischen. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung in Deutschland als groß und stabil zu bezeichnen ist. Demgegenüber stehen hohe Erwartungen der Öffentlichkeit, die sich von der Wissenschaft Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen erhofft. Fast die Hälfte der Befragten ist allerdings unentschieden, ob Forschende zum Wohl der Gesellschaft arbeiten.
Christina Schumacher leitet an der Jade Hochschule das Projekt „Partizipative Wissenschaft in Region, Kultur und Technik (ReKuTe)“, das darauf abzielt, durch neue Formate den Dialog zwischen Wissenschaftler_innen und Zivilgesellschaft zu fördern. Die Jade Welt sprach mit der Leiterin des Wissens- und Technologietransfers am Campus Oldenburg.
JW: Frau Schumacher, inwiefern arbeiten unsere Forschenden zum Wohle der Gesellschaft?
Schumacher: Zunächst einmal forschen wir in der Regel an recht konkreten Problemstellungen, in den meisten Fällen mit Partnern aus Unternehmen, Verbänden, Gemeinden oder anderen Einrichtungen. Das heißt, Forschungsfragen werden gemeinsam mit denen entwickelt, die später auch davon profitieren sollen. Das erleichtert natürlich den Transfer von Erkenntnissen der Wissenschaft in die praktische Anwendung. Bei Gesundheitsthemen wie der Hörforschung oder der Entwicklung assistiver Systeme drängt sich das „Wohl der Gesellschaft“ natürlich gleich auf. Aber auch, wenn Schiffe durch eine verbesserte Routenplanung sicherer durch unsere Küstengebiete steuern oder ein regionales Unternehmen durch die Verbesserung seiner Prozesskette seine Wettbewerbsfähigkeit erhöhen kann, profitieren wir letzten Endes alle.
Mit dem Wissenschaftsbarometer ermittelt die gemeinnützige Organisation Wissenschaft im Dialog seit 2014 jährlich die Einstellungen der Menschen in Deutschland gegenüber Wissenschaft und Forschung.
JW: Sollten sich unsere Wissenschaftler_innen stärker in politischen Fragen zu Wort melden?
Schumacher: Seit Greta Thunberg ist da einiges in Bewegung gekommen. Ich finde es sehr spannend, dass eine junge Frau etwas auslösen konnte, was Wissenschaftler_innen mit ihren Prognosen zum Klimawandel in den letzten 30 Jahren nicht gelungen ist. Es ist ja nicht so, dass Wissenschaftler_innen ihre Erkenntnisse für sich behalten und den Politikern vorenthalten würden. Aber entsprechende Gesetze erlassen müssen eben die Politiker, dafür sind sie gewählt. Darüber hinaus müssen aber auch die Bürger_innen die Chance haben, sich über Forschungsergebnisse gezielt informieren zu können. Voraussetzung ist, dass wissenschaftliche Erkenntnisse so vermittelt werden, dass sie auch verstanden werden können. Und da ist häufig noch Luft nach oben. An der Jade Hochschule konnten wir schon etliche Projekte abschließen, in denen mit Kommunalvertretern diejenigen involviert waren, die die wissenschaftlichen Erkenntnisse direkt in politisches Handeln fließen lassen können. Jüngste Beispiele sind Projekte zum Thema Binnenentwässerung und Hochwasserrisikomanagement – Themen, die unmittelbar mit dem Klimawandel zusammenhängen und für den Nordwesten eine immense Bedeutung haben. Und auch an der Verständlichkeit wollen wir arbeiten und bieten regelmäßig Workshops zur Wissenschaftskommunikation für unsere Wissenschaftler_innen an.
JW: Kann man unseren Wissenschaftler_innen vertrauen? Warum?
Schumacher: Wissenschaftliches Arbeiten beruht auf Grundprinzipien des methodischen, systematischen und überprüfbaren Vorgehens, die in allen Disziplinen gleich sind. Allen voran steht die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen. Die Freiheit der Wissenschaft ist in der Verfassung der Bundesrepublik garantiert. Gerade deswegen unterliegen die Wissenschaftler_innen einer hohen ethischen Verantwortung.
Die Jade Hochschule hat als „Qualitätssicherung“ Merkmale aufgestellt und in einer Ordnung schriftlich festgehalten. Bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten (z.B. das Verfälschen von Daten oder Ideendiebstahl) kann man sich an dafür gewählte Vertrauenspersonen wenden. Vor dem Hintergrund möchte ich unbedingt davon ausgehen, dass man unseren Wissenschaftler_innen vertrauen kann.