Die Corona-App im Kampf gegen die Pandemie - pro und contra

Zwei Meinungen von Hochschulangehörigen

Die Corona-Warn-App der Bundesregierung soll helfen festzustellen, ob wir in Kontakt mit einer infizierten Person geraten sind und daraus ein Ansteckungsrisiko entstehen kann. So sollen Infektionsketten schneller unterbrochen werden können. Der Download und die Nutzung der App sind freiwillig. Sollten wir die Corona-Warn-App installieren? Warum beziehungsweise warum nicht?

Pro: „Der Nutzen könnte erheblich sein,
der Schaden weniger.“

von Prof. Jens Peter Thiessen und Marvin Bo Büttner (Student)

Contra: „Panikmache, Fehlalarm und freiwillige Selbstauskunft – ich habe Bedenken!“

Ja, wir haben alle schon Viren gehabt, sogar unsere Computer. Und wir haben gelernt, dass es Maßnahmen gibt, uns zu schützen. Aber Virenschutzprogramme oder Impfungen sind es nicht alleine: die Kombination von konfektionierten Maßnahmen hilft am besten. Die ersten Maßnahmen können wir schon: Händewaschen, Mund-Nasenschutz, Ellenbogenbegrüßung und Abstand, Abstand, Abstand… Die nächste Stufe wäre die Warnung vor Infektionsrisiken in unserem Umfeld. Und genau darum geht es: eine Art Schwarm-Maßnahme in unserem Umfeld, die am besten hilft, wenn viele teilnehmen und wenige infektiös sind. 

„Ich hab die Corona App, weil ich statt Urlaub lieber Quarantäne mache … haha“ – ist sarkastisch im Netz zu lesen. Oder, dass möglicherweise die Freunde in Quarantäne müssten, weil man selbst infiziert wäre. JAAAAA, rufen wir ihnen zu!  - JA, genau, darum geht es! Menschen schützen andere Menschen dadurch, dass sie nicht irgendwo heruminfizieren.  Sie müssen aktiv gefunden und isoliert werden, denn sie selbst erfahren ohne Hilfe von der Krankheit immer zu spät. Für die Erkrankten ändert sich nichts, sie bleiben krank, werden isoliert und genesen hoffentlich, das ist Gesetz. Aber für die anderen und deren Familien kann es unmittelbar (und mittelbar) eine Frage über Leben und Tod sein. Die letzten größeren Ausbrüche hätten mit der App vermutlich minimiert werden können – vielleicht hätten sogar schon Leben gerettet werden können.

Ja – es gibt Bedenken, die haben wir auch. Wir sind besonders misstrauisch, wenn es um digitale Gesundheitsdaten geht. Aber: der Betreiber ist vertrauenswürdig und vor allem: der Nutzen könnte erheblich sein, der Schaden sicher weniger. Wenn die App nichts nützt, dann löschen wir sie 2021 wieder. Wenn sie aber etwas nützt, müssen einige von uns (manche nur vorsorglich) in Quarantäne. Aber alle werden vor dem unwissentlichen Weitergeben der Viren bewahrt. „Unseren Nächsten“ müssen wir nicht unbedingt lieben, noch nicht einmal kennen, aber wenn es Menschen rettet, dann ist es unsere Zweifel allemal wert. Lieber in Quarantäne gehen, als jemanden zu infizieren – so einfach ist die Logik.  Hardcore Gegner werden wir nicht überzeugen können, aber die „hab ich vergessen“ Studierenden oder die „wollte ich noch machen“ Kolleg_innen oder die ganz speziellen „WussteIchNichtse“, die möchten wir erreichen.

Wir wünschen uns Normalität zurück und Vorlesungen und Seminare und Exkursionen und ja – auch die Mensa. Wir sind doch keine Eremiten, sondern Eltern, Kinder, Geschwister, Enkel, Freunde und Kommiliton_innen und Kolleg_innen. Insofern ist diese App, die nur Risikobegegnungen meldet, ein sinnvoller Baustein für den Weg zurück zur vorcoronalen Welt.

Normalität ist ja eigentlich was Langweiliges, aber nochmal Lockdown, Social Distancing, Home Schooling, Reiseverbote, Krankheit und sogar Tod? Dann nehmen wir lieber Normalität und schauen auf die App, die sagt: keine Risiko-Begegnung bisher. Und diese Meldung wird verlässlicher, je mehr Menschen mitmachen.

Ich habe Bedenken gegenüber der Corona-Warn-App, weil sie bisher stark von dem verantwortungsvollen Handeln der positiv getesteten Benutzer_innen abhängt. Diese müssen der App das Textergebnis selbst mitteilen. Es könnte sein, dass eine positiv getestete Person das Ergebnis nicht mitteilen möchte oder es in der Aufregung vergisst.

Weiter bin ich nicht sicher, ob ich die Information, dass ich mit einer positiv getesteten Person in Kontakt gekommen bin, überhaupt wissen möchte. Denn schließlich könnte es sich auch um einen Fehlalarm oder um ein falsches Ergebnis handeln. Vielleicht macht man sich umsonst Sorgen, vielleicht geraten Menschen unnötig in Panik.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass ich das Handy immer mit mir führen muss – das habe ich bisher nicht getan. Es könnte somit sein, dass das Handy über Bluetooth mit einem anderen Handy die IDs ausgetauscht hat, ein positiver Bescheid kommt und ich gar nicht in der Nähe der Person war. Zudem besteht ein Unterschied, ob ich zu dem Zeitpunkt Kontakt unter freiem Himmel hatte oder drinnen.

Die Parameter „Dauer“ und „Distanz“ werden von der App gelesen und ausgewertet. Voraussetzung ist, soweit ich das gelesen habe, dass ein Kontakt von mindestens 15 Minuten bestanden hat. Wird das Virus nicht in kürzerer Zeit übertragen?

Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass die App auf manchen Geräten nicht läuft und viele Menschen gar kein Smartphone besitzen. Einige sind vielleicht nicht so technik-affin und andere können sich aus Kostengründen kein Smartphone leisten. Viele von diesen Personen - es sollen zurzeit etwa fünf bis sechs Millionen sein - haben besonders viele Kontakte und fallen zurzeit als Benutzer_innen der App weg.

Datenschutzmäßig mache ich mir eigentlich keine Sorgen, weil mir das System sicher erscheint und verschiedene Experten die App getestet haben. Schwierig finde ich dennoch, dass die Bluetooth-Verbindung des Smartphones und die Standorterkennung immer aktiv sein müssen. Das bietet möglicherweise eine Angriffsfläche für Hackerangriffe.

Obwohl ich von der App nicht überzeugt bin, habe ich sie installiert, weil trotz der ganzen Bedenken eine Chance besteht, dass die App hilft. Denn natürlich möchte ich meine Familie, Freunde, mich selbst und den Rest der Bevölkerung weiter schützen.

Alle Informationen zur App sind auf den Webseiten der Bundesregierung zu finden. Dort besteht auch die Möglichkeit zum Download.

Einschätzung unserer Datenschutzbeauftragten:

„Datenschutzrechtlich ist die App in der normalen Nutzung völlig unproblematisch."

„Sobald die Labore Testergebnisse direkt über die App an Getestete übermitteln können, ist die App datenschutzrechtlich auch im Fall einer Infektionsentdeckung unproblematisch", sagt Datenschutzbeauftragter Prof. Dr. Thomas Brinkhoff. Ob die Technik wirklich gut in der Lage sei, alle kritischen Kontakte zu identifizieren und nicht zu viele Fehltreffer zu liefern, werde wohl jedoch erst die Praxis zeigen.

„Problematisch könnte der Ansatz gesehen werden, dass die beiden großen Anbieter der Betriebssysteme theoretisch Daten abgreifen könnten", ergänzt der Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Knut Barghorn. „Jedoch sieht die Datenschutz-Folgeabschätzung dieses Problem als untergeordnet an." Schwierig zu beurteilen sei jedoch, ob der grundsätzliche Ansatz, dass Infizierte sich die App freiwillig installieren und sich im Fall der eigenen Infektion freiwillig in die App eintragen, wirklich zu einer maßgeblichen Eindämmung der Infektionen beitragen werde. Gerade der Ansatz der Freiwilligkeit sei aber datenschutzrechtlich notwendig und sinnvoll. „Da die Daten über die Infektion anonym übermittelt werden und die Eintragung auch einen rückwirkenden Abgleich mit Kontaktpersonen ermöglicht, wäre eine verbreitete Nutzung der App wünschenswert." Den wirklichen Nutzwert der App werde man aber vermutlich erst in Wochen bzw. Monaten beurteilen können.

Ansprechpartnerin in der Redaktion

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de