Hochwasserrisiko kann deutlich gesenkt werden

Forschungsergebnisse der Jade Hochschule dienen dem Schutz der Küstenregion vor Überschwemmung

„Niederschläge, die heute noch als Extremereignisse eingestuft werden, werden zukünftig häufiger auftreten.“

Dr. Helge Bormann

Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt an der ostfriesischen norddeutschen Küste und mögliche Anpassungen für das Entwässerungssystem, haben Wissenschaftler_innen der Jade Hochschule und der Universität Oldenburg jetzt untersucht. „Vor dem Hintergrund des globalen Wandels steht die Binnenentwässerung vor einer immensen Herausforderung“, sagt Projektleiter Dr. Helge Bormann von der Jade Hochschule. „Die bestehende Entwässerungsinfrastruktur wird zukünftig nicht mehr ausreichen.“ Durch die mit regionalen Partnern erarbeiteten Maßnahmen könne das Hochwasserrisiko jedoch bis Ende des Jahrhunderts deutlich gesenkt werden. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Klimaoptimiertes Entwässerungsmanagement im Verbandsgebiet Emden“ (KLEVER) wurden gestern im Beisein des niedersächsischen Umweltministers Olaf Lies im Siel- und Schöpfwerk Knock präsentiert.

Kapazität des Entwässerungssystems ist Mitte des Jahrhunderts ausgeschöpft

Basierend auf Klimamodellen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung berechneten Dr. Helge Bormann und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Jenny Kebschull von der Jade Hochschule mögliche Veränderungen des Wasserhaushalts. Einflüsse, die sich in Zukunft auf das Entwässerungssystem in der Region auswirken, sind die höheren Winterniederschläge, die Versiegelung von Grünflächen und der Anstieg des Meeresspiegels.

Höhere Niederschläge in den Wintermonaten

Die Simulationsergebnisse zeigen, dass der Klimawandel einen deutlichen Anstieg des Abflussaufkommens in den Wintermonaten bewirken wird. „Niederschläge, die heute noch als Extremereignisse eingestuft werden, werden zukünftig häufiger auftreten“, erklärt Bormann. In den Wintermonaten Dezember, Januar und Februar werde das zu entwässernde Wasservolumen enorm ansteigen: Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts können es sogar 25 Prozent sein. Dies entspräche dem halben Volumen der Thülsfelder Talsperre, das im Winter zusätzlich gepumpt oder gesielt werden müsste. Im Gebiet des Ersten Entwässerungsverbandes Emden gibt es zwei Haupt Siel- und Schöpfwerke, die das Wasser ins Meer leiten. Die Kapazität dieser Werke sei jedoch schon jetzt ausgeschöpft.

Zunehmende Flächenversiegelung

Die Analyse zeigt auch, dass eine zunehmende Flächenversiegelung – Bebauung, die verhindert, dass der Niederschlag im Boden versickern kann – die Entwässerungsherausforderung noch verstärken wird. „Im Verbandsgebiet werden pro Jahr aktuell rund 63 Hektar versiegelt - das sind etwa 126 Fußballfelder Grünflächen, die durch Gebäude, Parkplätze, Verkehrswege und weitere Bauwerke zugebaut werden“, erklärt Kebschull. Wenn die Versiegelung mit der aktuellen Rate weiter voranschreitet, würde der Entwässerungsbedarf bis Mitte des Jahrhunderts in den Wintermonaten um weitere zwei Prozent und bis Ende des Jahrhunderts insgesamt um vier Prozent ansteigen.

Anstieg des Meeresspiegels

Neben der Flächenversiegelung sei auch der Anstieg des Meeresspiegels ein Problem. „Bisher werden die Siele bei Ebbe geöffnet, so dass das Wasser ohne den kostenintensiven Betrieb der Pumpen abfließen kann“, erklärt die Wissenschaftlerin.

„Wenn der Meeresspiegel wie in den Klimaszenarien beschrieben ansteigt, wird der Wasserstand zur Ebbe seltener niedrig genug sein um die Siele zu benutzen.“ In dem Fall ist der Entwässerungsverband auf seine Pumpen angewiesen. „Der Energieaufwand hierfür ist enorm“, sagt Kebschull. Laut Modellergebnissen wäre der Abfluss des Wassers über die Siele Ende des Jahrhunderts nicht mehr möglich: „Die Anzahl der Stunden, in denen das Sielen möglich ist, wird sich bis 2045 halbieren. Im Jahr 2070 wird der Sielzeitraum nur noch ein Viertel des jetzigen betragen, bevor das Sielen Ende des Jahrhunderts nur im besten Fall noch als Entwässerungsmöglichkeit genutzt werden kann“, erklärt die Expertin.

Maßnahmen um das Hochwasserrisiko zu senken

Die bestehende Entwässerungsinfrastruktur wird zukünftig nicht mehr ausreichen. Im Rahmen des KLEVER-Akteursforums wurde in Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern eine Reihe von Maßnahmenvorschlägen erarbeitet, wie der Herausforderung entgegengetreten werden kann. Diese umfassen vor allem technische Maßnahmen wie die Erweiterung der Pumpkapazitäten der Schöpfwerke. Auch die Speicherkapazitäten in bestehenden Gewässern auszubauen wäre denkbar, sowie die Möglichkeit zusätzliche Retentionsräume zu schaffen.

„Bei vollständiger Umsetzung aller vorgeschlagenen Maßnahmen könnte das Hochwasserrisiko bis Ende des Jahrhunderts deutlich gesenkt werden.“, sagt Bormann. Ein Restrisiko werde aber bestehen bleiben. Für den Umgang damit müssten zukünftig geeignete Risikomanagementkonzepte entwickelt werden.

Kooperationen

Die Hochschulen führten das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) geförderte Projekt in Zusammenarbeit mit dem Ersten Entwässerungsverband Emden (I.EVE) und weiteren Partnern aus der Region durch.

Ein Interview mit Projektleiter Dr. Helge Bormann hören Sie im Deutschlandfunk (Sendung vom 6. Dezember 2018).

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