Kolumne: "Schafft die feiertagsbedingten arbeitsfreien Tage ab!"

Von Prof. Dr. Torsten Kirstges, erschienen in der Wilhelmshavener Zeitung

Je nach Bundesland gibt es in Deutschland eine unterschiedlich große Anzahl an arbeitsfreien Feiertagen, die nicht an einen Sonntag gebunden sind: In Sachsen sind es bis zu zwölf freie Tage, in Niedersachsen einige weniger. Im sächsischen Landtag wurde vor einiger Zeit eine Petition abgelehnt, die die Abschaffung aller gesetzlichen Feiertage - mit Ausnahme des Tages der Deutschen Einheit - fordert:

„Feiertage sind für Beschäftigte grundsätzlich arbeitsfrei."

Die gesetzlich anerkannten Feiertage kirchlicher Herkunft sind Ausdruck des historisch-kulturellen Erbes der Bundesrepublik Deutschland … und sind größtenteils christlichen Ursprungs.“ „Dass der Landesgesetzgeber … der gewachsenen und für weite Teile der Bevölkerung bis heute fortdauernden besonderen Bedeutung des Christentums Rechnung trägt, ist nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts … Ausdruck der Prägekraft der Geschichte, führt aber nicht zu einer verfassungswidrigen Privilegierung einer „Mehrheitsreligion". Wie das Bundesverfassungsgericht betont, gewährleisten die gesetzlichen Feiertage ein Mindestmaß an synchroner Taktung des sozialen Lebens und haben somit eine zunehmende soziale Bedeutung. Der gesetzliche Feiertagsschutz ermöglicht Ruhe, Erholung und Zerstreuung, unabhängig von religiösen Zugehörigkeiten.“

Synchrone Taktung des sozialen Lebens

Es gibt also, aus der christlichen Tradition unseres Landes heraus, eine Reihe von feiertagsbasierten arbeitsfreien Tagen. Diese dienen heute aber mehr einer „synchronen Taktung des sozialen Lebens“, für Ruhe, Erholung und Zerstreuung, unabhängig von einer religiösen Zugehörigkeit, da heute kaum ein Deutscher die kirchlich bedingten freien Tage für einen Kirchenbesuch oder ein kirchliches Engagement nutzt - sonst müssten die Kirchen am Pfingstmontag ja rappelvoll sein. Und auch Moslems, Buddhisten und Atheisten genießen ja die christlich bedingten freien Tage - haben aber an ihren religiösen Festtagen (soweit Werktag) nicht arbeitsfrei. Die meisten in Deutschland lebenden Menschen, auch christlich getaufte, wissen heute gar nicht mehr, warum sie an manchen Tagen ausschlafen dürfen. 

Ich plädiere daher für eine völlige Abschaffung von arbeitsfreien Tagen, die mit christlichen Feiertagen begründet werden! Staatlich vorgegebene, feiertagsbedingte arbeitsfreie (Werk-)Tage für Jedermann sollen alleine aus säkularen Gründen bestehen - wie z.B. der „Tag der deutschen Einheit“.

Diese Forderung nach Abschaffung von religiös erklärten Freitagen bedeutet aber nicht, dass es dem einzelnen Bürger verwehrt sein soll, die christlichen (oder anders motivierte) Feste durch einen arbeitsfreien Tag zu würdigen! Ich plädiere nämlich gleichzeitig dafür, dass jedem Bürger über seinen üblichen Urlaubsanspruch hinaus eine bestimmte Anzahl von Tagen zur Ausübung von religiösen, sozialen oder gesellschaftlichen Aktivitäten zustehen soll - gesetzlich garantiert. Nennen wir diese Tage dann nicht „arbeitsfreie Feiertage“, sondern z.B. „Tage von Besinnung, Sozialengagement und Ehrenamt“!

Tage von Besinnung, Sozialengagement und Ehrenamt

Nehmen wir an, jedem Bürger würden pro Jahr zwölf solcher Tage zugestanden, die jeder einzelne gemäß seinen persönlichen Präferenzen terminieren könnte. Dann kann der Christ alle ihm wichtigen christlichen Feiertage würdigen; der Moslem kann das Opferfest, den ersten Ramadan-Tag oder das Fastenbrechenfest arbeitsfrei genießen, der Jude aber z.B. Jom Kippur oder Rosch Haschana. Der Rheinländer kann den Rosenmontag arbeitsfrei genießen (ohnehin schon in vielen Städten praktiziert) und am Aschermittwoch seinen Rausch ausschlafen, der Augsburger sein Friedensfest feiern (was ohnehin schon als einzigartiger Feiertag begangen wird), der Gewerkschaftler den 1. Mai zelebrieren, und wenn der Basketballverein sein soziales Miteinander an einem bestimmten Tag gemeinsam begehen möchte, dann sei ihm dieses ebenso ermöglicht. Damit wird das gewünschte Mindestmaß an für den Einzelnen relevanter (!) „synchroner Taktung des sozialen Lebens“ (s.o., Bundesverfassungsgericht) erreicht. Es muss nämlich nicht ganz Deutschland gleich takten, das tut es ohnehin schon lange nicht mehr, sondern eine den Lebensumständen des Einzelnen und seiner sozialen Gruppen (Kirchengemeinde/Glaubensgemeinschaft, Sportverein, Umweltinitiative, Gewerkschaft, Familie, …) entsprechende synchrone Taktung ist sinnvoll.

Mit diesem System der „Tage von Besinnung, Sozialengagement und Ehrenamt“ würde auch der dritten, eigentlich vorausgehenden Forderung entsprochen: Der weitestgehenden Trennung von Staat und Religion! Der Staat garantiert und ermöglicht ganz praktisch die Religionsfreiheit und -ausübung, ohne aber religiös motivierte Festtage als arbeitsfreie (Werk-) Tage zu bestimmen. Gerade angesichts der multikulturellen Entwicklung Deutschlands erscheint alleine dies mir der richtige Weg zu sein. Der Laizismus Frankreichs könnte uns hier ein gutes Vorbild sein. Selbstverständlich gehört dazu in der Folge auch die Abschaffung der Kirchensteuererhebung oder die Verbannung von religiösen Symbolen aus staatlichen Räumlichkeiten (insbes. Schulen) durch den Staat… aber das ist ein weiteres Thema…

Zur Person

Prof. Dr. Torsten H. Kirstges ist Fachdozent für das Management der Reiseveranstalter und Reisemittler sowie Ökologie im Tourismus und Direktor des Instituts für innovative Tourismus- und Freizeitwirtschaft an der Jade Hochschule in Wilhelmshaven.

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