Wärmedämmung von Häusern mit Biomasse aus dem Moor
Praxistest für neues Dämmmaterial: Science Cube in Werlte fertiggestellt
Eine biologische Alternative zur Wärmedämmung von Häusern untersuchen Wissenschaftler des Instituts für Materialprüfung der Jade Hochschule derzeit in dem deutsch-niederländischen Forschungsprojekt „BioÖkonomie – Grüne Chemie“. In Kooperation mit dem Unternehmen Janssen Holzbau GmbH und dem 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie e.V. haben sie in dem von der EU geförderten INTERREG-Projekt ein spezielles Einblasdämmprodukt aus Rohrkolbenmaterial entwickelt. Nun wird das neue Dämmmaterial, das noch nicht auf dem Markt erhältlich ist, in einer Praxisanwendung getestet: Im Science Cube, einem Modulbau aus Holz der in Werlte ansässigen Firma Janssen Holzbau GmbH, hat die Erprobung neuer nachhaltiger Baustoffe aus Paludikulturmaterial – Biomasse aus vernässten Moorböden – begonnen.
Das Team um Prof. Dr. Heinrich Wigger von der Jade Hochschule und das 3N Kompetenzzentrum unter Leitung von Frau Dr. Marie-Luise Rottmann-Meyer haben das Gebäude mit moderner Messtechnik ausgestattet und eine Wetterstation aufgestellt, die Wetterdaten erfasst.
Mit den aufgezeichneten Messdaten wird im Anschluss der Wärme- und Feuchtetransport mithilfe von hygrothermischer Simulationssoftware nachgestellt und die Dauerhaftigkeit der Baukonstruktion bauphysikalisch geprüft. Mithilfe der Software und der durchgeführten Messungen werden so theoretische Kenntnisse mit den in situ Messungen gekoppelt, um so die eingebauten Dämmstoffe auch auf andere Projekte abstimmen zu können.
In zwei der vier Außenwänden wurden Einblasdämmmaterialien aus Rohrkolben eingebaut. In einer Wand wurde ein Dämmmaterial aus reinem Rohrkolben eingeblasen. Eine andere Wand wurde mit einer Mischung aus reinem Rohrkolben und Holzwolle gefüllt. Die Holzwolle stabilisiert das Einblasdämmmaterial, so dass keine Setzung stattfindet. Zum Vergleich wurden in den anderen Wänden erprobte Dämmstoffe, wie Zellulose, verbaut.
Dämmmaterialien aus Rohrkolben scheinen eine ähnliche Dämmwirkung wie andere Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, wie zum Beispiel Hanf, zu haben. Gegenüber Dämmstoffen aus fossilen Rohstoffen haben Dämmmaterialen aus Rohrkolben offensichtlich weitere Vorteile: Es wird ein angenehmes Raumklima und ein kühlender Effekt im Hochsommer erzeugt, der Dämmstoff ist diffusionsoffen und kapillaraktiv und kann für einen guten Schallschutz sorgen, wie erste Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP zeigen.
Über das Projekt
Das grenzübergreifende Projekt "Bioökonomie - Grüne Chemie" wird im Rahmen des INTERREG V A-Programms Deutschland-Nederland mit Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt. Kofinanziert wird es durch das Land Niedersachsen, das niederländische Wirtschaftsministerium und durch die niederländischen Provinzen Drenthe, Fryslân, Gelderland, Groningen und Noord-Brabant.
Klimafreundliche Innovation: Durch Anbau von Rohrkolben Emissionen senken
„Vor allem aber stellt das Dämmmaterial aus Rohrkolben eine klimafreundliche Innovation dar, weil diese heimische Pflanze in vernässten Moorböden angebaut werden kann“, zeigte sich Projektleiter Dr. Colja Beyer von der Kompetenzstelle Paludikultur überzeugt. In Niedersachsen ist ein großer Teil der Moorböden entwässert worden und große Mengen an Treibhausgasen werden an die Atmosphäre abgegeben. Durch den Anbau von zum Beispiel Rohrkolben können auf diesen wiedervernässten Flächen die Emissionen auf fast Null reduziert werden. Damit könnte dieses Dämmmaterial einen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen Niedersachsens beitragen. Der nachwachsende Rohstoff kann regional produziert, verarbeitet und vermarktet werden. Die laufenden Untersuchungen und Testreihen bilden hierfür die Grundlage.
Musterhausanlage für Interessierte zugänglich
„Der in Holzständerweise gebaute Science Cube ist so konzipiert, dass die Gefache ohne großen Aufwand geöffnet werden können, um Dämmmaterialien und Messtechnik auszuwechseln. Dadurch können neue innovative Entwicklungen jederzeit praxisnah erprobt werden“, erläuterte Firmenchef Rolf Janssen das Konzept des Science Cube. „Das Gebäude, das inmitten der im Bau befindlichen Musterhausanlage steht, dient auch der Information und wendet sich an alle interessierten Personen“.