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„Wir sind gleichberechtigte Profis, wenn es um unsere Kinder geht.“

Väter in Elternzeit: Sven Franz berichtet von seinen Erfahrungen

(Foto: pexels)
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Im Jahr 2020 befanden sich an der Jade Hochschule insgesamt 16 Personen in Elternzeit, davon 12 Frauen. Keine männliche Person war mehr als sechs Monate in Elternzeit. Auch den Sonderurlaub zur Betreuung von kranken Kindern nahmen deutlich mehr Frauen in Anspruch: 2019 waren es 43 Personen, davon 38 Frauen und 2020 waren es sieben Personen - nur Frauen.

Ist Kinderbetreuung an der Jade Hochschule reine Frauensache? Zum Glück nicht. Die Redaktion der Jade Welt (JW) fragt Väter, warum sie in Elternzeit gegangen sind und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Heute: Sven Franz aus der Abteilung Technik und Gesundheit für Menschen.

JW: Herr Franz, warum haben Sie sich dafür entschieden, in Elternzeit zu gehen?

Franz: Bei meiner Tochter Arwen hatte ich damals noch die typischen zwei Vätermonate genommen. Ich war zu diesem Zeitpunkt in einer Teilzeitbeschäftigung an der Jade Hochschule, da ich mich noch in der Abschlussphase des Masterstudiums befand. Die Masterarbeitsphase hatte ich durch den Nachwuchs etwas gestreckt und konnte dadurch etwas mehr zuhause sein. Ich selbst bin in einer Familie groß geworden, in der die Mutter als Hausfrau zuhause war und die Kindererziehung übernommen hatte. Entsprechend fand ich es damals noch komisch, Eltern(teil)zeit zu nehmen. Anders bei Ansgar und Halvar:

Meine Partnerin liebt ihren Job und wollte deshalb nicht komplett zu Hause bleiben. Ich wollte nicht den ganzen Tag arbeiten und die Kinder nur abends sehen. Daraus wuchs die gemeinsame Überzeugung, dass es für alle viel schöner ist, wenn wir die Möglichkeit nutzen, uns die Zeit zuhause mit den Kindern zu teilen.

(Foto: privat)
(Foto: privat)

Sven Franz (44) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Technik und Gesundheit für Menschen. Der Hörgeräteakustiker, Fachinformatiker und Master of Science der Hörtechnik und Audiologie arbeitet seit über zehn Jahren an der Jade Hochschule. Er lebt mit seiner Partnerin und seinen Kindern Arwen Fenna (12), Ansgar Svenson (3) und Halvar Svenson (1) in einer gut funktionierenden Patchwork-Familie. Arwen lebt zur Hälfte bei ihrer Mutter und alle zusammen verbringen gerne gemeinsame (Familien-)Zeit - egal ob bei Feierlichkeiten, Ausflügen oder im Urlaub. 

Elternzeit

Elternzeit ist eine unbezahlte Unterbrechung des Berufslebens für Mütter und Väter, die ihr Kind selbst betreuen und erziehen. Während der Elternzeit muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer_innen pro Kind bis zu drei Jahre von der Arbeit freistellen. In dieser Zeit müssen die Arbeitnehmer_innen nicht arbeiten und erhalten keinen Lohn. Zum Ausgleich können sie zum Beispiel Elterngeld beantragen. Die Elternzeit kann ganz vor dem 3. Geburtstag des Kindes genommen werden oder in Teilen auch bis zum 8. Geburtstag. Während der Elternzeit können Arbeitnehmer_innen entweder gar nicht oder höchstens 30 Stunden pro Woche arbeiten (bzw. bis zu 32 Stunden pro Woche bei Eltern, deren Kinder ab dem 01.09.2021 geboren wurden).

Weitere Infos und eine Broschüre sind auf den Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu finden.

JW: Wie haben Sie sich die Elternzeit mit ihrer Partnerin aufgeteilt?

Franz: Wir haben uns bis zum Ende des 13. Lebensmonat zu gleichen Teilen in Elternteilzeit begeben, also jeweils 50 Prozent. Nach den 13 Monaten arbeitet meine Partnerin nun erstmal 30 Stunden und ich Vollzeit. In den nächsten Jahren werden wir abwechselnd unsere Stunden reduzieren.

JW: Wie hat Ihr Umfeld reagiert, zum Beispiel Vorgesetzte, Kolleg_innen und Freunde? Galt es als „normal“, als Mann Elternzeit zu nehmen oder gab es Unverständnis?

Franz: Vorgesetzte und Kollegen haben durchweg positiv reagiert oder die Info schlichtweg zur Kenntnis genommen. Auf Unverständnis ist, wenn überhaupt, nur die Entscheidung meiner Partnerin gestoßen, nach dem Mutterschutz wieder in Teilzeit tätig zu werden. Im Freundeskreis gab's keine negativen Reaktionen, eher Bewunderung für meinen Schritt.

Viele wussten nicht, dass man sich die Elternzeit bequem aufteilen kann und dann entsprechend auch mit Elterngeld plus einen Ausgleich des Verdienstausfalls erhält.

Besonders auffällig war dies bei den werdenden Vätern im Geburtsvorbereitungskurs. Die häufigste Reaktion war hier "Oh, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich das auch so gemacht".

JW: Klischees behaupten, dass Männer in den ersten Jahren nicht viel mit ihren Kindern anfangen können. Wie sehen Sie das?

Franz: Ich denke, das ist eine Folge des klassischen Familienmodells, wie ich es aus meiner Kindheit kenne. Wenn die Mutter die meiste Zeit bei ihren Kindern zuhause ist und der Vater ganztags arbeitet und eventuell auch noch Überstunden macht, ist häufig die Konsequenz, dass Väter weniger Bezug zu ihren Kindern aufbauen.

Derjenige, der mehr Zuhause ist, weiß was zu tun ist, wenn das Kind schreit, wie man es am besten ins Bett bringt und was es noch alles zu organisieren gilt.

Wir sind gleichberechtigte "Profis", wenn es um unsere Kinder geht, da wir beide gleich häufig gewickelt, Kinderwagen geschoben und in den Schlaf geschuckelt haben. Jeder übernimmt Verantwortung: meine Partnerin sortiert die zu klein gewordene Kinderkleidung aus und ich übernehme die Arzttermine. Die Sicht auf Familie hat sich mittlerweile gewandelt: Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und sind zu 100 Prozent genauso dazu in der Lage wie die Mütter, so dass dieses Klischee heute sicher veraltet ist.

JW: Würden Sie anderen Vätern empfehlen Elternzeit zu nehmen?

Franz: Auf jeden Fall! Im ersten Jahr passiert bei den Kleinen so viel und besonders die Elternteilzeit war für uns das perfekte Konzept, damit beide Elternteile an dieser Entwicklung und natürlich an der Erziehung teilhaben konnten.

Ansprechpartnerin in der Redaktion

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de