Kolumne: "Imageproblem - Die Mathematik"

Von Prof. Dr. Juliane Benra, erschienen in der Wilhelmshavener Zeitung

Neulich in irgendeiner Quizsendung: Der Kandidat: „In Mathematik war ich immer schlecht.“ Der Quizmaster: (mit sichtlicher Freude) „Ich auch.“ Das Publikum: Klatscht Beifall und nickt. Man stelle sich nur einmal vor, der Kandidat hätte gesagt: „Ich war in der Schule nicht in der Lage, einen grammatikalisch korrekten Satz schriftlich zu formulieren.“ Das hätte wohl kaum zu einer nicht nur verständnisvollen, sondern geradezu begeisterten Aufnahme geführt.

Die Mathematik hat ein Image-Problem!

Dabei meinen die meisten Menschen, wenn sie über Mathematik reden, eigentlich nur „Rechnen“ – was von Mathematik ungefähr so weit weg ist, wie Rechtschreibung vom Literatur-Nobelpreis.

Machen wir uns mal deutlich, wobei überall Mathematik hilft:

Jeder Betroffene möchte nur korrekte Rechnungen bezahlen, in denen die Mehrwertsteuer richtig berechnet wurde. Anstelle der Deutung von rituell verbrannten Tierknochen hätten wir doch gerne irgendwelche belastbare Prognosen von „Wirtschaftsweisen“, die auf Daten beruhen. Wenn wir in einer Apotheke irgendeine Salbe anrühren lassen, möchten wir uns darauf verlassen können, dass das Mischungsverhältnis ordnungsgemäß umgesetzt wurde. Setzen wir uns in ein Kraftfahrzeug, gehen wir selbstverständlich davon aus, dass alle Teile so zusammenspielen, dass es während der Fahrt nicht explodiert. Die Liste ließe sich endlich (Insiderwitz) fortsetzen.

Die Abstraktheit ist eine Stärke der Mathematik

In der Kritik an Mathematik hört man oft: Es sei alles so abstrakt und die (komische) Notation würde das Ganze schwer verständlich machen. Ich sage: Gerade die Abstraktheit ist eine Stärke der Mathematik. Denn dadurch sind ihre Ideen und Mechanismen universell einsetz- und anwendbar. Die Mathematik ist eine globale Erfolgsstory über Länder- und Kulturgrenzen hinaus.

Alle (vom Psychologin in Indien, bis zum Klempner in der Schweiz) nutzen dieselben mathematischen Konzepte. Und alle können sich sicher sein, dass dieses Gedankengebilde so gut durchdacht ist, dass man (zumindest bei korrekter Anwendung) immer richtigliegt. Dafür notwendig ist eine Modellbildung in den jeweiligen Wissenschaften, wo sich die Fachwissenschaftler eine Vorstellung von den Zusammenhängen in einem bestimmten Aspekt machen und diese in mathematischer Form aufschreiben. Grundsätzlich wäre es möglich, dass alles in der jeweiligen Fachdisziplin komplett erarbeitet würde. Dann müssten aber alle relevanten Dinge, die für die Mathematik schon bewiesen sind, jeweils wieder neu „erfunden“ und plausibilisiert werden.

Es gibt Untersuchungen, dass die meisten Kinder Probleme mit der Formulierung von Textaufgaben haben, weniger mit der Anwendung der korrekten Rechentechnik. Also bereitet eher die vermeintlich bessere Praxisnähe die Probleme.

Ich möchte eine Lanze brechen für die Mathematik:

Es gibt intelligente Menschen, die Mathematik können. Es gibt intelligente Menschen, die Mathematik nicht so gut können. Es gibt intelligente Menschen, die gute Noten in Geschichte haben und es gibt intelligente Menschen, die keine guten Noten in Geschichte haben. Auch wenn es eine Stärke ist, die eigenen Schwächen zu kennen, sollte man der Mathematik eine Chance geben und nicht von vorneherein die Flinte ins Korn werfen.

Beschäftigen Sie sich mit Mathematik – es lohnt sich für Sie und Ihre Kinder. Man erweitert die Möglichkeiten der Berufsauswahl und es macht (nicht zuletzt) Spaß!

Zur Person

Juliane Benra ist Diplom-Mathematikerin und hat einen Doktortitel in Informatik. In der Industrie arbeitete sie z.B. für Philips als Software-Ingenieurin. An der Jade Hochschule ist sie als Professorin im Fachbereich Ingenieurwissenschaften für die Themengebiete Echtzeitdatenverarbeitung und Betriebssysteme berufen. Forschungsprojekte von ihr waren z.B. EU-geförderte internationale Projekte im regionalen Infrastruktur-Bereich (z.B. ITRACT, über das in der Jade Welt auch berichtet wurde).

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