Ein Schlüsselerlebnis brachte Heidi Hastedt zu ihrem Beruf. Eines Tages sah sie einen Vermessungs-ingenieur am Straßenrand seiner Arbeit nachgehen.
„Das hat mit Mathematik zu tun. Und das sieht kompliziert und praktisch aus. Das muss ich mir genauer ansehen!“
Zunächst machte sie eine Ausbildung als Vermessungstechnikerin. Denn eine Ausbildung war die Bedingung im Elternhaus. Ein Studium war für sie als Arbeiterkind eigentlich nicht vorgesehen. Aber später alles nachholen, wie sie es bei den älteren Brüdern erlebt hatte? Das wollte sie nicht. „Vehement und stur“ setzte sie ihren Willen durch: Raus aus dem Dorf und studieren!
„In der ersten Vorlesung waren wir fünf Frauen von 25 Studierenden. Wir hatten ja sehr viel ältere Professoren. Der erste Satz des Professors in meiner ersten Vorlesung war: ‚Oh, hier sind fünf Frauen, das sind fünf zu viel!’. Nachgeben war damit aus Prinzip keine Option mehr. Sich einbringen, etwas verbessern und andere fördern wurde später mein Engagement. Ich freue mich sehr, dass sich die Sichtweisen in den letzten Jahrzehnten sehr geändert haben und die Vielfalt in den Semestern eine große Bereicherung darstellt und auch so verstanden wird.“
Heute ist Hastedt Expertin für Photogrammetrie, Fernerkundung und optische 3D-Messtechnik. Das Einsatzfeld in der optischen Messtechnik ist mitlerweile sehr vielfältig – von Industrie bis Weltkulturerbe – aber immer an die Aufgabe angepasst, so dass viele verschiedene Aspekte der Vermessung einfließen. In anderen Bereichen muss man heute mit Methoden der künstlichen Intelligenz arbeiten. „Das Arbeitsfeld bleibt in Bewegung – das macht es sehr spannend.“
In der optischen Messtechnik sind Frauen eher unterrepräsentiert, erzählt sie. Dabei hat sie festgestellt, dass Frauen und Männer unterschiedliche Herangehensweisen an ihre Arbeit haben und Frauen häufig viel zurückhaltender sind. „Denkmuster, Arbeitsweise und -organisation sind in unserem gemischten Team teilweise sehr unterschiedlich, aber die Mischung bringt den entscheidenden Impuls zur Lösung.“ Ihre Erfahrung zeigt, dass je nach Arbeitsbereich Ingenieurinnen ihr Wissen deutlich zeigen und selbstbewusst agieren müssen, um akzeptiert zu werden.
Besonders spannend an ihrer Arbeit findet Hastedt, Entwicklungen zu verfolgen und selber immer auf dem neuesten Stand der Technologien zu bleiben. Und daraus dann auch Aufgaben und Projekte für die Studierenden zu entwickeln und die Lehre aktuell zu halten. Neue Impulse zu geben, wenn jemand nicht weiter kommt. Zeigen, wie man praktisch zum Ziel kommt, dabei aus Fehlern lernt. „Ich bin als streng verschrien. Aber nur zu denen, die sich nicht damit beschäftigen. Die Studierenden sind gut ausgebildet und brauchen zumeist nur den Anstoß für die Lösung, sie müssen sich trauen und ausprobieren dürfen. Stolz bin ich, wenn sie anschließend den Sprung zum Verstehen gemacht haben und plötzlich immer mehr wollen! Wenn diese Begeisterung entsteht und sie strahlen bei dem, was sie machen!“
Internationaler Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft
Noch immer sind Frauen in den Wissenschaften unterrepräsentiert. Nur ein Drittel aller weltweit in der Wissenschaft Beschäftigten sind laut UNESCO-Bericht Frauen. Trotz des weltweiten Fachkräftemangels fehlen Frauen weiterhin in den Ingenieur- und Technikwissenschaften. Um einen vollwertigen und gleichberechtigten Zugang zur Teilnahme an der Wissenschaft für Frauen und Mädchen zu fördern, hat die UNESCO den Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft (11. Februar) ins Leben gerufen.
Auch an der Jade Hochschule sind Frauen in der Wissenschaft deutlich unterrepräsentiert: Im Jahr 2021 lag der Professorinnenanteil nur bei 19 Prozent, der Anteil der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen bei 36 Prozent. Daher möchten wir mit dieser Serie rund um den Aktionstag in der Jade Welt auf das Thema aufmerksam und einige unserer Wissenschaftlerinnen sichtbar machen.