Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Gawlik vom Fachbereich Management, Information, Technologie beschäftigt sich damit, welche Rolle Wasserstoff bei der Deckung des jährlichen Energiebedarfs in Deutschland spielen kann. Die Jade Welt (JW) hat nachgefragt…
JW: Lieber Herr Gawlik, wie würde sich unser Energienetz entwickeln, wenn wir die fossilen Energieträger komplett weglassen würden?
Gawlik: In einem vollständig aus regenerativen Quellen gespeisten elektrischen Energiesystem brauchen wir sehr, sehr große Langzeitspeicher. Außerdem muss das System in der Lage sein, sowohl massive Erzeugungsüberschüsse aufnehmen und verwerten als auch länger andauernde Perioden geringer regenerativer Erzeugung überbrücken zu können. Weil das Energienetz für die maximal auftretende Leistung dimensioniert werden muss, bedeutet das auf allen Spannungsebenen einen großen Netzausbaubedarf.
JW: Warum eignet sich besonders Wasserstoff zur Energiespeicherung?
Gawlik: Wasserstoff zeichnet sich als Träger chemischer Energie durch eine hohe massenbezogene Energiedichte aus und lässt sich vergleichsweise gut über längere Zeiträume aufheben. Außerdem kann man Wasserstoff gut in allen Sektoren als Energieträger verwenden, zum Beispiel in der Strom- und Wärmeversorgung, Mobilität oder chemischen Industrie. Bei der Verwendung von Wasserstoff als Energiespeicher können wir an vielen Stellen auf die bewährte Erdgasinfrastruktur zurückgreifen. Und schließlich steht zwischen elektrischer Energie und Wasserstoff nur jeweils eine Umwandlungsstufe, nämlich die Elektrolyse bzw. die heiße oder kalte Verbrennung in der Brennstoffzelle.
JW: Wie aufwendig ist die Umwandlung in andere Energieformen?
Gawlik: Jede Umwandlung von einer Energieform in eine andere ist mit Verlusten und zusätzlichen Kosten verbunden. In dem oben skizzierten Energienetz muss man die Anlagen zur Wasserstoffelektrolyse mit sehr großer Leistung und recht kurzen Einsatzzeiten betreiben. Das macht es besonders schwer, hier einen wirtschaftlichen Betrieb zu erreichen. Statt eines Dauerbetriebes sind vielmehr schnelle und große Lastwechsel zu erwarten. Das „stresst“ die Anlagen zur Energiewandlung zusätzlich. Normalerweise sollten deshalb so wenige Umwandlungsstufen wie möglich durchlaufen werden. Umgekehrt können wir nur durch diese Sektorkopplung und die dadurch entstehenden energieträger-übergreifende Energienetze die Speicherpotentiale erschließen, die wir in einem regenerativen Energiesystem benötigen.