5 Fragen an Jens Werner
Einen herausragenden Durchbruch für die Windenergie hat das Team des Forschungsprojekts WERAN plus am Campus Wilhelmshaven der Jade Hochschule mit der Entwicklung einer neuen Messtechnik erzielt. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse lassen sich Windenergieanlagen näher an Flugsicherungsanlagen errichten als die bisher pauschal bestimmten 15 Kilometer. Somit gewinnt Deutschland mehr Fläche für nachhaltige Energie. Projektleiter Jens Werner, Professor am Fachbereich Ingenieurwissenschaften, berichtet im Interview über die Projektergebnisse und ein weiteres Forschungsfeld, das ihn interessiert.
Herr Werner, welche Auswirkungen haben Windenergieanlagen auf die Navigationsdienste der Flugsicherung? Welche Folgen hatte das bisher für die Windenergieindustrie?
Vergleichbar mit Leuchttürmen zeigen Drehfunkfeuer – also UKW-Funksignale von Navigationsanlagen – den Flugzeugen eine Richtung an und sorgen so für Sicherheit im Luftraum. Windenergieanlagen können dieses Funksignal streuen und dadurch einen Richtungsfehler erzeugen. Der führt zu einer fehlerhaften Information bezüglich der genauen Position eines Flugzeugs. Das kann problematisch werden, wenn ein Luftfahrzeug im Streckenflug oder in der Nähe von Flughäfen navigiert.
In der Vergangenheit konnte man die Störeffekte der Windenergieanlagen auf die Flugsicherung nicht genau bestimmen. Deshalb haben die zuständigen Aufsichtsbehörden und der Diensteanbieter DFS (Deutsche Flugsicherung GmbH) den Abstand von Windenergieanlagen zu den Navigationsanlagen von unter 15 Kilometern pauschal sehr streng bewertet und den Bau neuer Windenergieanlagen meist nur außerhalb dieses Radius erlaubt.
Zu welchen Verbesserungen in der Windenergie trägt die neue Messtechnik bei, die im Forschungsprojekt WERAN plus entwickelt wurde?
Wir haben mit unserer Doppler-Kreuzpeilung eine Methode entwickelt, mit der wir in der Umgebung von Flugsicherungsanlagen sämtliche reflektierenden Objekte, die das Drehfunkfeuer stören könnten, lokalisieren und genau erfassen können. Dazu gehören nicht nur Windenergieanlagen, sondern sämtliche Arten von Bebauung und auch Hochspannungsmasten oder Bäume. In Zukunft lässt sich deshalb wissenschaftlich fundiert und mit hoher Genauigkeit vorhersagen, welche Auswirkungen zum Beispiel neue Windenergieanlagen im Vergleich zu existierenden Hochspannungsmasten haben würden. Die Flugsicherung muss künftig nicht mehr auf pauschalisierte Modelle zurückgreifen, um sichere Abstände zu definieren.
Wie lange wird es dauern, bis mehr Windenergieanlagen im näheren Umfeld der Flugsicherungseinrichtungen errichtet werden können?
Im April konnten wir einen Zwischenbericht mit Erkenntnissen und Empfehlungen aus den Projekten WERAN und WERAN plus an Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing und an Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Dr. Robert Habeck übergeben. Darin empfehlen wir, den Abstand auf sechs bis sieben Kilometer zu reduzieren, um große Flächen für neue Windenergieanlagen frei zu machen. In einem Maßnahmenpapier kündigten die Ministerien an, die Verkleinerung der Anlagenschutzbereiche bereits jetzt, ab Mitte 2022, anzustreben. Insgesamt rechnen sie mit mehr als 1.000 neuen Windenergieanlagen mit einer Leistung von jeweils vier bis fünf Megawatt.
Eine ganz andere Frage: Welche praktischen Erfahrungen oder Vernetzungen fließen in Ihre Forschungsfragen ein?
Vor allem durch meine langjährige Tätigkeit in der Elektroindustrie, unter anderem in der Halbleiterentwicklung, habe ich auch heute noch zahlreiche Kontakte, mit denen ich sowohl Forschungsfragen diskutiere als auch Themen für studentische Abschlussarbeiten finde.
Gibt es weitere Forschungsfelder, die Sie noch angehen möchten, und welche?
Die Messtechnik, die im WERAN plus Projekt entwickelt wurde, ließe sich erweitern und nutzen, um Zugvögel, die mit UKW-Sendern versehen sind, mit hoher Genauigkeit zu verfolgen. Das wäre noch eine Idee mit starkem regionalem Bezug. Zum Beispiel in Kooperation mit dem Institut für Vogelforschung könnte ich mir das sehr gut vorstellen.
Herr Werner, vielen Dank für das Gespräch.
Über Jens Werner
Neben seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre engagiert sich Professor Dr. Jens Werner in der EMC Society (Gesellschaft für Elektromagnetische Kompatibilität) des weltweit größten Verbandes für Ingenieurinnen und Ingenieure IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers). In seiner Sektion werden Themen aus der Hochfrequenztechnik und speziell der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) untersucht. Hauptziel dieses Forschungsfeldes ist, elektrische und elektronische Geräte so zu entwickeln und betreiben, dass sie sich nicht gegenseitig stören.
Über die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!
Die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg! wurde als Transferprojekt der Universität Oldenburg, der Jade Hochschule und des Informatikinstituts OFFIS, An-Institut der Universität, im Projektzeitraum 2018 bis 2022 mit rund elf Millionen Euro durch die Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ gefördert.
Das Projekt hat innovative Ideen, Hochschulwissen und neue Technologien in die Zielregion getragen und den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben, Wissenschaft aktiv mitzuerleben. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autor_innen.