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„Nicht verzichten – weder auf Familie noch auf Forschung. Und nie aufgeben“

Frauen in der Wissenschaft: Prof. Dr. Tamara Bechtold

In der Grundschule fielen Tamara Bechtold zunächst die sprachlichen Fächer leichter als Mathematik. Dann packte sie der Ehrgeiz und sie bat ihren Vater, der ein Bauingenieur für Wasserbau war, ihr das zu erklären, was sie in Mathematik nicht verstand. Das tat er geduldig und genau. In der fünften Klasse fiel der Groschen: „Ab da hatte ich es verstanden und wusste die Lösungen oft bereits im Voraus. Mathe wurde mein Lieblingsfach.“

Dr. Tamara Bechtold ist Professorin für mechatronische Systeme an der Jade Hochschule. (Foto: privat)
Dr. Tamara Bechtold ist Professorin für mechatronische Systeme an der Jade Hochschule. (Foto: privat)

Diese Begeisterung und das Verständnis wollte Tamara Bechtold an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler weitergeben. Es reizte sie herauszufinden, was genau die anderen nicht verstehen, es ihnen nahe zu bringen und mit jeder Erklärung auch selber noch besser zu verstehen. Was in der Schule begann, zog sich auch durch ihr Studium der Elektrotechnik: Tamara Bechtold arbeitete als Tutorin und merkte, dass ihr das Erklären Spaß macht – und dass die Berufsperspektive Professur für sie in Frage kommt.

Noch während ihres Studiums brachte sie ihr erstes Kind zur Welt. Nach dem Mutterschutz wollte sie zurück ins Labor um wichtige Versuche für ihr Studium durchzuführen – und bekam viel Gegenwind. „Mein damaliger Mann und meine Schwiegermutter zogen die Augenbrauen hoch“, erzählt sie. Auch ihr Übungsleiter sagte, sie hätte doch noch nicht kommen müssen. Für Tamara Bechtold waren das überraschende Reaktionen. Sie wuchs im sozialistischen Jugoslawien auf, wo Frauen wie Männer gearbeitet haben. „Frauen wurden ermutigt und von der Familie unterstützt auch mit Kindern weiter ihrem Beruf nachzugehen. So kannte ich das von zuhause.“

Ein wenig einfacher war es, als ihr zweites Kind 2003 während ihrer Promotion an der Universität Freiburg geboren wurde. Die Uni-KiTa hat damals auch kleine Kinder schon aufgenommen und ihr zweiter Ehemann war wie sie der Überzeugung, dass beide Partner auch mit Kindern Karriere machen können und sollen.

„Wenn man das zu zweit anpackt, ist es machbar.“

In 2005 verteidigte Frau Bechtold hochschwanger ihre Doktorarbeit und gewann damit die Bertha Ottenstein Preis der Universität Freiburg. Als das dritte Kind kurz danach zur Welt kam, war Tamara Bechtold sofort nach dem gesetzlichen Mutterschutz wieder im Büro – oftmals mit Kinderwagen. „Ich wollte wieder arbeiten, weil es mir Spass machte und ich meine Forschung ernst nahm. Ich hatte zu dieser Zeit allerdings Angst, dass man mich nicht mehr ernst nehmen würde“, sagt Bechtold. Als ihr Doktorvater sie aber weiter für Vorträge anfragte, wusste sie, dass ihre Kompetenzen geschätzt und ihre Wünsche respektiert werden.

„Gesellschaft sollte ermöglichen, das zu machen, was man als Mutter und als Forscherin für richtig hält.“

Das vierte und letzte Kind kam in den Niederlanden zur Welt, wo Bechtold als Forschungsingenieurin für Philips arbeitete. „In den Niederlanden war die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Es gab zum Beispiel sehr flexible Eingewöhnungszeiten – das hätte sonst neben der Vollzeitstelle auch nicht gut funktioniert.“

Kurz nach ihrer Rückkehr nach Deutschland übernahm Tamara Bechtold in 2011 die Vertretungsprofessur für Mikrosystemsimulation an der Universität Freiburg. Seit 2014 arbeitet sie als Dozentin und Forschungsgruppenleiterin an der Universität Rostock. 2017 folgte der Ruf an die Jade Hochschule, wo sie als Professorin für mechatronische Systeme und Leiterin der Forschungsgruppe für Modellierung und Simulation mechatronischer Systeme tätig ist. Sie ist Autorin bzw. Ko-Autorin von mehr als 100 Fachpublikationen auf dem Gebiet der Computer-Simulationen. Ihre Forschungsprojekte werden unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Was sie jungen Frauen rät, die in der Wissenschaft arbeiten möchten: „Nicht verzichten – weder auf Familie noch auf die Forschung. Nicht von blöden Kommentaren abschrecken lassen. Und nie aufgeben."

„Denkt: Selbstverständlich schaffe ich das!
Genauso wie es seit Jahrhunderten für Männer selbstverständlich ist.“

Internationaler Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft

Noch immer sind Frauen in den Wissenschaften unterrepräsentiert. Nur ein Drittel aller weltweit in der Wissenschaft Beschäftigten sind laut UNESCO-Bericht Frauen. Trotz des weltweiten Fachkräftemangels fehlen Frauen weiterhin in den Ingenieur- und Technikwissenschaften. Um einen vollwertigen und gleichberechtigten Zugang zur Teilnahme an der Wissenschaft für Frauen und Mädchen zu fördern, hat die UNESCO den Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft (11. Februar) ins Leben gerufen.

Auch an der Jade Hochschule sind Frauen in der Wissenschaft deutlich unterrepräsentiert: Im Jahr 2021 lag der Professorinnenanteil nur bei 19 Prozent, der Anteil der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen bei 36 Prozent. Daher möchten wir mit dieser Serie rund um den Aktionstag in der Jade Welt auf das Thema aufmerksam und einige unserer Wissenschaftlerinnen sichtbar machen:

Ansprechpartnerin in der Redaktion:

  • Katrin Keller
    Katrin Keller

    katrin.keller@jade-hs.de