Kolumne: "90 Prozent Einkommenssteuer für mehr Gerechtigkeit!"

Kolumne von Prof. Dr. Torsten Kirstges, erschienen in der Wilhelmshavener Zeitung

Jetzt geht sie wieder los, die Diskussion um zu hohe, ungerechtfertigte, unsoziale Managergehälter. Alle Jahre wieder kommt sie auf. Aktueller Anlass: Der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche soll 4.200 Euro "Rente" bekommen - pro Tag! Jährlich 1,55 Million Euro! Alle Welt regt sich auf. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert neue Richtlinien gegen die Maßlosigkeit von Managern. Andere kommen in unserer Gesellschaft (und erst recht weltweit betrachtet) mit dem Wenigen, das sie haben bzw. monatlich bekommen, kaum über die Runden. Wo bleibt die Gerechtigkeit, um die es doch auch in unserer Bibel immer wieder geht?

Müssen wir (insbesondere ein Herr Zetsche & Co.) nicht teilen mit den Armen? An andere vom eigenen Überfluss abgeben? Sozialgerechtigkeit nicht "irgendwo" weltweit, sondern direkt hier bei uns in Deutschland? Sind Millioneneinkünfte Einzelner gerecht(fertigt)? Oder spricht hier nur der Neid der Unfähigen oder (Arbeits-)Unwilligen? Manche fordern, Parteien streiten: Spitzensteuer auf 49 Prozent erhöhen? Oder 45 Prozent oder 55 Prozent? Oder Gehälter von Managern nach oben hin begrenzen! Andere sehen darin den sozialistisch-kommunistischen Teufel heraufbeschwört.

Meines Erachtens liegt die Lösung alleine in einem einen sehr viel höheren Spitzensteuersatz von – sagen wir – 90 Prozent, dies allerdings erst ab einem Jahreseinkommen, das kein Ausdruck von persönlicher Leistungsfähigkeit mehr sein kann. Eine Verhinderung von überzogenen JE und damit eine Neidprävention können nur über eine hohe Spitzensteuer für extrem hohe JE erreicht werden. Keine natürliche Person benötigt mehr als – z.B. - 500.000 Euro per annum frei verfügbares NettoJahreseinkommen zum Leben.

"Kein Mensch kann innerhalb seiner Arbeitszeit Leistungen erbringen, die im Jahr mehr als eine Million Euro an finanzieller Gegenleistung verdienen - sei die (positive) Auswirkung seiner Arbeit auch noch so wertvoll."

Wer mehr bezieht, hat den Großteil davon via Einkommenssteuer an die Gemeinschaft abzugeben. Von einer On-Top-Jahrestantieme in Höhe von z.B. einer Milion Euro bleiben dem Topmanager dann noch 100.000 Euro nach Steuern (und dem Staat fürs Gemeinwohl 900.000 Euro) - und das ist genug bzw. dann gar nicht mehr sinnvoll, so dass sein Arbeitgeber die Million vielleicht sinnvoller für anderes als für Spitzenmanagergehälter ausgibt. Eine solche Abschöpfung von Spitzenentgelten löst sämtliche Probleme mit ungerechtfertigten Entgelten für Manager, Banker, Fußballspieler, Sänger, Top-Modells, Abfindungen, Ex-Bundespräsidenten und so weiter. Dafür müssen die sogenannten Leistungsträger in der Mittelschicht, deren Jahreseinkommen bei 40.000 bis 100.000 Euro liegen, steuerlich entlastet werden, damit sich deren (Mehr-)Leistung lohnt.
 

Die oben genannte Jahreseinkommens-Grenzen können - je nach politischem Konsens - abweichend festgelegt werden: Die Linken mögen die 90 Prozent Einkommenssteuer schon bei 500.000 Euro Jahreseinkommen setzen wollen, die FDP ggf. erst ab zwei Millionen Euro, aber eine - wie auch immer im Detail - angemessen festgelegte Grenze, ab der persönliche Einkünfte (inklusive Lottogewinne!) zum größten Teil wegbesteuert werden, ist der einzige Weg, um die zurecht kritisierten schlechten Auswüchse der Marktwirtschaft zu unterbinden und gleichzeitig Steuerentlastungen für die Mittelschicht zu finanzieren und somit letztlich für eine "gerechtere" Einkommensverteilung (ganz im Sinne eines staatlich organisierten, christlichen Teilens) sorgen zu können.

Das Argument der Gegner hoher Spitzensteuersätze ist die Angst um die Abwanderung von Top-Kräften (egal ob in der Wirtschaft oder im Sport) weg von Deutschland. Ich aber sage: keine Sorge - es finden sich auch weiterhin genügend fähige Köpfe, die für eine Million Euro Jahreseinkommen als Banker, Manager, TV-Star oder Fußballprofi in Deutschland Karriere machen und Top-Leistung bringen wollen, denn der Grenznutzen jeder weiteren Einkommenszahlung geht ab den genannten Größenordnungen für die zahlenden Unternehmen und die Gesellschaft gegen Null ...

Gerne würde ich mehr über die Position unserer Kirche zu dieser Frage lesen ... Wurde im Vorfeld des für uns so bedeutenden Ersten Vatikanischen Konzils das Thema "Sozialgerechtigkeit" noch sehr kontrovers diskutiert und auch mit dem vom Lehramt verurteilten "Modernismus" in Verbindung gebracht, so hat sich die katholische Soziallehre später ja intensiv dieser Gerechtigkeitsfrage angenommen.

 

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